Wir erleben einerseits das weltweite tägliche Töten und Sterben als Ergebnis einer extrem effizienten Waffentechnik; und die Machtspiele, die das Töten auslösen, tragen im Kern immer die Motivation, Ressourcen im Dienste des Machtzugewinns so zielstrebig wie möglich zu erschließen und so effizient wie irgend geht auszubeuten. Beides ausgesprochen männliche Verhaltensschemata.
Dem Psychoanalytiker Arno Grün zufolge, stellen diese Machtspiele nichts anderes dar, als die grausamen Versuche des Mannes, die eigene Erfahrung der Hilflosigkeit und die damit in Zusammenhang stehenden beschämenden Emotionen zu verdrängen und zu kompensieren. Die Angst vor dem Tod wird abgespalten und unsichtbar gemacht, während der Tod gleichzeitig nach außen gerichtet wird. In dem man den Tod zu einem Objekt macht, das man wissen-schaftlich abstrahieren kann, oder ihn über andere hereinbrechen lassen kann, scheint man auch Macht über ihn zu haben.

Doch wenn der Tod, so wie wir ihn in unserer Kultur erleben, sich nur von seiner männlichen Seite zeigt, wie sieht dann der weibliche Aspekt des Todes und des Sterbens aus? 

Im europäischen Kulturkreis ist der traditionelle Wirkungsbereich der Frau das Haus, und somit war auch alles, was sich im Hause abspielte unter ihrer Ägide: nicht nur die Sphäre der leiblichen Versorgung und die Erziehung und Pflege der Kinder, sondern auch die Pflege der Kranken, der Alten, und schließlich der Sterbenden.

Folgt man der Autorin Erni Kutter, so waren es dementsprechend vor allem Frauen, die die verschiedenen Phasen des Sterbens begleitet haben. Es war nicht nur ihre Aufgabe, bis zuletzt für die Sterbenden zu sorgen, sondern auch, die Toten zu waschen, sie zu kleiden, aufzubahren und sie zu beklagen. Das Ende des Lebens war, wie auch die Geburt, in die Hände von Frauen gelegt.

Hier offenbart sich nun der entscheidende Unterschied: während die männliche Tätigkeit bezüglich des Todes entweder darin besteht, ihn so effizient wie möglich herbei zu führen oder ihn mit maximalem, technischem Aufwand zu verhindern, sie in dem einen wie dem anderen Fall aber mit dem Eintreten des Todes zu einem Ende kommt, ist die weibliche Handlungsweise von einem fortdauernden Umgang mit dem Sterbeprozess geprägt, der nicht mit dem Tod endet, sondern durch ihn lediglich zu einer anderen Art der Handlung übergeleitet wird.
Denn während nach dem männlichen Handlungsmuster das Faktum des Todes nach dessen Eintritt abgespalten wird, beginnt im weiblichen Handlungsmuster mit dem Waschen und Kleiden des Toten bereits das, was man in einer modernen, männlich geprägten Terminologie als „Trauerarbeit“ bezeichnet, d.h. es wird aktiv und gestaltend mit dem Tod umgegangen, um eine emotionale Intergration der Sterblichkeit in das persönliche Leben zu erreichen.

Jutta Konjer fand sich im vergangenen Jahr selbst in der Situation wieder, mit dem Tod zweier ihr nahestehender Menschen umzugehen. Daraus ergab sich eine intensive Beschäftigung mit den weiblichen Bewältigungsmustern der Vergänglichkeit, die einen rein selbst-therapeutischen Ansatz klar transzendiert, und statt dessen durch künstlerisches Agieren für eine haltlose Gesellschaft eine Haltung entwickelt, um dem Schock der Endgültigkeit des Todes und dem Ende der Dinglichkeit begegnen zu können.

Die Arbeiten, die die Räume der Galerie beherrschen, scheinen auf den ersten Blick nichts mit dem Thema gemein zu haben. Wir sehen Briefmarken, deren Motive mit schlichten Zeichnungen über ihren Rahmen hinaus erweitert wurden. Man könnte zunächst meinen, eine graphische Spielerei. Doch auch in diesen scheinbar so leichten Bildern verbirgt sich die Symbolik der Vergänglichkeit. Denn wie sieht schließlich der Lebenszyklus einer Briefmarke aus? Sie wird gekauft, auf einen Brief geklebt, durch den Stempel entwertet und landet, nachdem der Brief seinen Bestimmungsort erreicht hat, für gewöhnlich im Papierkorb. Ihre Zeit ist abgelaufen. Und selbst wenn sie in der Sammlung eines Philatelisten einen Platz findet, so kann man das Album ohne Weiteres vergleichen mit einem Beinhaus.

Der zweite thematisch bedeutsame Bezug liegt in ihrer Herkunft: sie stammen weitgehend aus der Sammlung des verstorbenen Künstlers Manfred Kroboth, mit dem Jutta Konjer viele Jahre gemeinsam gearbeitet hat.
Doch Jutta Konjer errichtet den Bildern mit ihrer Arbeit nicht nur einen Erinnerungsschrein, sondern gibt ihnen tatsächlich ein neues Leben. Sie befreit die Motive aus ihrer funktionalen Reduktion, in der man auch eine Befreiung aus der technisch-männlichen Sphäre der Abstraktion sehen kann, und gibt ihnen einen neuen, erweiterten Zusammenhang. Dadurch wird der abgelaufene Lebenszyklus keineswegs unkenntlich gemacht, statt dessen wird gezeigt, wie man auf dessen Basis durch schöpferisches Handeln einen neuen Denk- und Vorstellungsraum öffnen kann.
Präsentation
Vernissage
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