Irgendwo, welches zur Erscheinung bringt, was unter den emotionalen Wirbeln der täglichen Touren verweht wurde. Es liegt am Betrachter, der Betrachterin, den Verweis zu entziffern, das Spiel mit den Bedeutungen mitzuspielen.

"Meine Bilder stellen immer Situationen dar", sagt sie selbst. "Figuren versuchen, miteinander oder mit dem Betrachter zu kommunizieren. Ich versuche, sie miteinander spielen zu lassen. Aber sie können es nicht oder sind irgendwie verklemmt, weil sie einander ähnlich sind. Sie wollen keine Konflikte. Aber wenn sie sich begegnen geht es ihnen, als ob sie in einen Spiegel sehen würden. Deswegen imitieren sie einander, verstecken sich oder versuchen vorsichtig Kontakt aufzunehmen; sie wollen einander nicht anstarren. Daher kommt die komische Atmosphäre. Als ein Betrachter sehe ich sie und fühle mich, als ob ich auch einer von ihnen bin". (Akane Kimbara)

Akanes Arbeiten wurde von Referenten mit Tagebuchaufzeichnungen verglichen. Dies ist m.E. zu kurz gegriffen. Es gibt hier keine identifizierbare Ichfigur, es wird nicht im Zeitrahmen erzählt. Es geht nicht darum zu dokumentieren, so war mein Tag heute, oder diese Spuren habe ich am soundsovielten hinterlassen.

Sowohl in den Lichtclustern und Schwarzpausen der aktuellen Videoarbeit, als auch in den weißgrundigen Zeichnungen, meist im A5-Format - hier oben ebenerdig - synthetisiert Akane Kimbara eine unpersönlich persönliche Spur, die wie hinter einer Glasscheibe unsere Sehge- wohnheiten des dreidimensionalen zentralperspektivischen Raumes schneidet.
Die fernöstliche Tradition hatte diesen offenen Raum schon immer verifiziert. Zen, Buddah, das Chi der Chinesen sind ohne Raum und Zeit, sind das Offenbarwerden eines Seins mitten im Ereignis, angedeutet in kalligraphischen Zeichen. Vergleichbar der Methode des Haikus geht es darum, in wenigen gegenläufigen Schritten, besser Takten eines Metrums, die sog. Wahrheit, das Unverborgene, aufblitzen zu lassen.

Wir hier im Westen - mit christlicher Tradition - kämpften uns ab am Fluchtpunkt der Sehpyramide, an deren Spitze ursprünglich Christus gedacht war. Mit zunehmender Profanierung wurde diese Substanz
vergessen, bzw. der Raum vom sich entfaltenden ICH besetzt. In Autos und Zügen rasen wir immer noch zum Horizont, obwohl in der Moderne zu Beginn des vorigen Jahrhunderts dann auch diese Sehpyramide kubistisch zerbrochen ist.

In der poststrukturalistischen Gegenwart stehen nun die verschiedenen Repertoires zur Verfügung und dienen den unterschiedlichsten Referenzen.

Das Besondere an Akane Kimbaras Zeichnungen/Zeichen ist es m.E., dass sie mit der Leichtigkeit poststrukturalistischer Sinnscherben sozusagen Animismen quasi aufruft, die nur vorläufig erscheinen, jedoch im Gegensatz zu denen Ihres Lehrers Schwontkowski frei sind von Ironie, Systemkritik, frei von Trauer über verlorene Ich-Sockel, Räume, Heerstraßen. Sie fängt einfach von sich aus an - trotz G8 und Irak- , einen poetischen Raum kurzzeitig zu entfalten.
Obwohl allgemein für die Gegenwart mehrfach totgesagt, ist dieses Poetische, gleichsam hinter der Glasscheibe der Bildfläche, das tragende Element ihrer Arbeiten. Sie vermag es, mit Empfindsamkeit auf der Suche nach Unmittelbarkeit des Gefühlsausdrucks, voller Humor und heiterer Gelassenheit quasi Ideogramme, Visuelle Poesie, Texte fürs Auge zu setzen.
Shikakushi heißt dies auf Japanisch.

In den 50ger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es die sog. Stuttgarter Schule um Max Bense und Helmut Heißenbüttel, in welcher es schon einmal zu einer gegenseitigen Orientierung von östlicher Bildauffassung und westlicher (Literatur) kam. Die sog. Konkrete Poesie entstand daraus.  Ich zitiere Max Bense: konkrete poesie unterhält nicht. sie hat die möglichkeit der faszination und faszination ist eine form der konzentration/  und zwar einer konzentration, die sich gleichermassen auf die perzeption des materialen/ wie auf die apperzeption seiner bedeutung erstreckt, so formulierte der Strukturalist und Kybernetiker Max Bense in einem Ausstellungskatalog.*

Zur Erläuterung aus Wikipedia: Apperzeption wurde von Leibniz im Unterschied zu Perzeption gebraucht für den seelischen Vorgang, durch den sinnlich Gegebenes mittels Aufmerksamkeit und Gedächtnis aufgefasst, angeeignet, ins Bewusstsein erhoben, in den Bewusstseinszusammenhang eingeordnet wird.

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*konkrete poesie international. th stuttgart: studium generale, studiengalerie 1965

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