Wie ein Kind, das sich im Spiel seinen Weg in die Wirklichkeit ertastet, folgt Jürgen Heckmanns im Schaffensprozess den Wegen, die ihm Papier und Stege nahelegen und er realisiert sie. So läßt er Netzwerke entstehen, die, obwohl von Menschenhand geschaffen, nicht dem Gestaltungswillen des Menschen unter- worfen sind. Sie sind keinem autokratischen Schöpfer ausgeliefert.
(Dieser Prozess ist aber nicht zu verwechseln mit der Vorgehensweise der Ecriture Automatique und ähnlichen "automatischen" Konzepten des Kunstschaffens, in denen lediglich die Kontrolle an das Unterbewußtsein abgegeben wird, der Mensch dennoch alleiniger Gestalter und Schöpfer bleibt!)

Genauso wenig, wie Jürgen Heckmanns seinen Gebilden eine Idee, und damit eine spezifische Form aufzwingt, genauso wenig zwingen die Installationen dem Betrachter eine einzig mögliche Deutung, eine spezifische Perspektive auf oder provozieren eine bestimmte Reaktion.
Diese Arbeit zu tun, also einen Blickpunkt zu wählen, die Objekte für sich wirksam zu machen und zu deuten, wird dem Betrachter ganz und gar selbst anvertraut. Er selbst muß aktiv werden, um die Installationen und Objekte zum Leben zu erwecken, sie bedeutsam zu machen. Er tritt ihnen als Gleichberechtigter gegenüber und wird, wie zuvor im Werkprozess der Künstler, ein Teil des Netzwerkes, ein Teil des Systems.

Eine einzige deutliche symbolische Geste läßt Jürgen Heckmanns jedoch zu: Die Leiter, die in ihrer Eleganz und Fragilität an die Leitern von Hochseil- und Trapezartisten erinnert.
In nahezu allen Mythen und Religionen finden wir die Leiter als Symbol für den Aufstieg in eine Sphäre der Geister oder Götter, also in eine Sphäre, in der die Idee die bloße Physis transzendiert hat. In der Bibel finden wir eine Entsprechung in der Himmelsleiter des Jakob. Besonders im asiatischen Schamanismus ist dieser Aufstieg meist unmittelbar mit der Aufgabe verbunden, ein verlorenes Gleichgeweicht wiederherzustellen und damit Mißstände in der Welt der Menschen zu beheben. Der Aufstieg ist also immer verbunden mit der Aufgabe, tätig zu werden.
Die Leitern Jürgen Heckmanns können also Aufforderung verstanden werden, sich im Geiste in die papierene Struktur hineinzubegeben, um mit ihr zu spielen, ihrem Tanz zu folgen, sie mit Bedeutung, Ideen und Bildern aufzuladen.
 
Das Baumaterial dieser Struktur, mit der sich der Betrachter nun in einem Dialog befindet, ist weißes, unbedrucktes Papier. Manchenteils sind es unbedruckte Zeitungsbögen. Es ist ein Material, das fast schon eine archetypische Bedeutung als Träger von Ideen gewonnen hat. Wir gehen täglich mit Papier um und kleiden unsere Welt damit aus - mit Zeitungen, Bildern, Büchern,  Briefen,  Fahrscheinen, Kontoausdrucken etc. Fast könnte man sagen: noch besteht ein großer Teil unserer Wirklichkeit aus Papier. Doch die Eigenschaft, Träger von Ideen zu sein, vermittelt uns nicht nur das beschriebene, bedruckte  oder bemalte Blatt. Auch das leere Blatt tut es! In ihm begegnen wir dem Horror vacui der darin begründet ist, daß dem Menschen Leerstellen nahezu unerträglich sind. Das weiße Papier schreit förmlich danach, gefüllt zu werden. Es fordert dem Menschen Ideen ab.

Ein anderer wichtiger Aspekt des Materials ist seine Verfügbarkeit, die in unserem industrialisierten Gesellschaftskontext jederzeit gewährleistet ist. Papier hat nichts Prätentiöses oder Erhabenes.
Und zerknüllt man es gar, gilt es nach unserem kulturellen Verständnis als umgewertet, bzw. abgewertet von einem profanen, nützlichen Alltagsding zu Müll. Es gibt kaum etwas, das weniger Wert hat, als zerknülltes Papier!
So nähert sich der Betrachter den Objekten auch nicht geblendet oder voller Ehrfurcht, sondern  ohne Berührungsängste, vielleicht mit Verwunderung, bestenfalls mit Neugier.
Genauso ist auch die Aufforderung an den Betrachter, sich auf einen Dialog mit den Objekten einzulassen, keinesfalls als ein unbedingt tiefes, ernstes und intellektuell anspruchsvolles Unterfangen zu verstehen. Diese Aufforderung ist bewu§t niedrigschwellig gehalten und ganz und gar spielerisch gemeint.
Wie man in Wolken Bilder und Gestalten hineinlesen kann, so können sich auch in den luftigen Netzwerken aus weißem Papier nahezu alle Imaginationen des Betrachters einnisten und
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