einen ordentlichen Beamer gehoert und wie es ja auch schon Leonardo da Vinci und Albrecht Duerer nutzten, um die Welt zu systematisieren und im Bild moeglichst praezise einzufangen. Doch sobald ich die vertraute Ordnung erkenne, bringt mir ausgerechnet der Roboter, der doch den Inbegriff von Ordnung verkoerpert, alles durcheinander. Unbeirrt von den gro§en Erfin- dungen der Technik, der Kunst und meiner Erwartungshaltung loest er das Raster wieder auf, steuert weiter, faehrt vor und wieder zurueck, lenkt hierhin und dann wieder um, sucht mit seinen grossen Augen den Raum ab und formiert neue, unscharf zitternde Bilder. Was er sucht, ist mir schleierhaft. - Naja, und die Frage ist natuerlich, ob er ueberhaupt etwas sucht und ein Ziel hat. Vielleicht hat er auch die Orientierung verloren, ist neben der Spur und sieht doppelt. - Nein, Unsinn .... natuerlich ist es nur ein Roboter, eine programmierte Maschine, die tut, was ihr Erfinder ihr aufgetragen hat.

Und trotzdem - in seiner stoischen Unterwanderung vorgege- bener Zwecke und Ordnungen scheint er mir doch eher wie das Gegenteil einer Maschine, und auch wie das Gegenteil der Automate des 18. Jahrhunderts und ihrer Nachfahren. Denn im Gegensatz zu ihnen, die durch die perfekte Nachahmung des Vernunft begabten Menschen faszinieren und auch dann noch dann kontrolliert steuern, lenken und funktionieren, wenn der Mensch laengst aufgibt, zeigt Joern Zehes Roboter einen dysfunktionalen Beamer, eine verrueckte Orientierung, Unschaerfen und Bilder, die einer Choreographie folgen, die ich nicht verstehe. Die Bilder gleiten ueber die Zuschauer und die Waende, tauchen in sie hinein und wieder aus ihnen heraus, verfluechtigen sich, formieren sich neu und tanzen frei durch den Raum. Die Bilderwelt dieser Choreographie, so technisch sie bedingt sein mag, scheint autonom und unvorhersehbar. In ihrer chaotischen Freiheit erinnert sie kaum mehr an die berechenbare Perfektion der Technik, sondern an taumelnde Traumbilder und Prinzipien der Natur, die Ð auch wenn sie durchschaut ist Ð ihren eigenen Gesetzen folgt. Zugleich erinnert diese Welt an hoehere Ordnungen unbekannter Dimensionen, deren Sinn sich erst in der Fantasie ergibt.
Joern Zehes aeusserlich eher unspektakulaeren Roboter verwandelt diese Welt aus unerwarteten, zweckfrei taenzelnden Bildern in eine elektrophysikalische Wundermaschine, die die Fantasie befluegelt, und den Einstellungsraum fuer Kunst im Strassenverkehr in eine Kunst und Wunderkammer des 21. Jahrhunderts.

Wohl kaum verwundert haette diese Metamorphose den franzoesischen Dichter Paul ValŽry. Schon vor rund hundert Jahren prophezeite er, dass die technische Entwicklung nicht nur die Arbeitswelt und den Alltag, sondern auch die Kunst grundlegend wandeln wuerde. "Angesichts des erstaunlichen Zuwachses", schrieb er, "den unsere Mittel in ihrer Anpassungsfaehigkeit und ihrer Praezision erfahren haben, muss man sich darauf gefasst machen, da§ so gro§e Neuerungen die gesamte Technik der Kuenste veraendern, dadurch die Invention selbst beeinflussen und schliesslich (...) dazu gelangen werden, den Begriff der Kunst selbst auf die zauberhafteste Art zu veraendern." Joern, vielen Dank fŸr dieses "zauberhafte" Ding,

Elke und Llaura, danke fŸr die Einladung und allen noch einen schoenen Abend.
Jutta Weber






i     Lexikon der Deutschen Sprache, hg. in Leipzig 1846 , Bd. 7, Nr. 170,
3. Dezember, S. 22.
ii    Woerterbuch der deutschen Sprache von 1876
iii  Erst Jahrzehnte spaeter stellte sich heraus, dass "der Tuerke" in Wahrheit "getuerkt" war, da sich besonders kleinwuechsige Menschen in ihm versteckt hielten.
iv Vgl. Literatur im Industriezeitalter (Eine Ausstellung des deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach am Necker, Ausstellung und Katalog: P.-P. Schneider, H. Dieke u. a.), Marbach 1987, Bd. 1, S. 13ff.
v  Paul, Jean: der Maschinen-Mann nebst seinen Eigenschaften, in: ders.: Auswahl aus des Teufels Papieren..., Gera 1789, S. 509-520.
vi  Paul, Jean: Menschen sind Maschinen der Engel, Blatt 1 des Manuskripts. 1785 (40).


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