Joern Zehe - 3 Gitternetzprojektionen
20.01.-10.02.2006
Einfuehrungstext: Jutta Weber

"Es ist wahrhaft ergetzlich, die Fertigkeit zu sehen, mit welcher der Kleine seine Zeichnung beginnt, in der Arbeit absetzt, dieselbe pruefend von allen Seiten ueberschaut, dann wieder beginnt,(...) und nun die Zeichnung ausfuehrt."i Mit diesen Worten beschrieb die Illustrierte Zeitung 1846 einen zeichnenden Automaten, den der geniale Bastler Pierre Jacquet Droz Mitte des 18. Jahrhunderts erfunden hatte. Seine Ð so ein altes Lexikon ii - "Bewegung und Thaetigkeit lebender Wesen nachahmenden Maschinen" sorgten damals fuer ungeheures Aufsehen. Sie waren so perfekt, dass man ihren Schoepfer in Spanien sogar wegen Hexerei vor Gericht stellen wollte. Auch von Automaten des ungarischen Baron Wolfgang von Kempelen liess sich das Publikum verzaubern. Weltruhm erlangte neben seinen ausgetueftelten Sprechmaschinen vor allem sein Schach spielender Tuerke, ein Automat, der die Tricks und Kniffe des Schachspiels wie ein Profi beherrschte. iii

Vor zweihundert Jahren war die Entwicklung von Maschinen- menschen das Faszinierendste, was die Technik zu bieten hatte. Die breite Bevoelkerung zogen Automate ebenso in ihren Bann wie die hoechsten Kreise der Gesellschaft. Bei Hofe wurden sie exklusiv vorgefuehrt, andernorts bildeten sich lange Besucherschlangen, um die Wunderwerke der Technik zu bestaunen und ihre Geheimnisse zu lueften. Der Glaube an die Erschaffbarkeit kuenstlicher Menschen war zu dieser Zeit mehr als nur die Aktualisierung eines alten Menschheitstraums und der schon von Aristoteles ueberlieferten Idee der automatoi, intelligenter Werkzeuge, die den Goettern wie Sklaven oder Fronarbeiter dienen. Vielmehr erklaert sich die Bedeutung der Automate aus ihrer modellhaften Funktion fuer das Welt- verstaendnis des 18. Jahrhunderts. In ihnen waren die mechanistischen Tendenzen des Rationalismus und Materialismus versinnbildlicht, wie sie schon RenŽ Descartes und dann vor allem der Philosoph Julien Offray de la Mettrie in seiner radikalen Schrift "L'homme machine" von 1748 formuliert hatten. Seine Auffassung von Menschen, die wie Maschinen arbeiten,
denken und funktionieren, fand de la Mettrie in den Automaten bestaetigt, die rational wie Menschen zeichnen, sprechen und Schachspielen konnten.iv

Doch gaben solche Mensch-Maschinenphantasien auch reichlich Stoff fŸr Kritik. Schon 1789 karikierte etwa Jean Paul, Dichter und ausgezeichneter Kenner der modernen Technikentwicklung, die Automate in seiner "Auswahl aus des Teufels Papieren" als Symbole der von ihm verachteten mechanistischen und materialistischen Weltanschauung, die die menschliche Willenfreiheit vollkommen negiere.v Mit einem Seitenhieb auf Kempelens TŸrken, beschrieb er die Menschen selbst polemisch als willenlose, stumpfsinnige Maschinen der Engel, die Kempelen lediglich kopiert habe: "Ein Engel verfertigte auch (...) herrliche Schachmaschinen (...), die das Schach ohne das geringste Zuthun eines Engels, blos durch einen Mechanismus, in ihrem Kopf angebracht ist, spielen koennen; sie bewegen den rechten Arm von selbst, sie schuetteln sogar Ð das ist unerhoert Ð den Kopf zu einem falschen Zug des Gegners u. thun, wenn der Koenig schach mat ist, um alles in der Welt keinen Zug mehr. Der Leser wird leicht wahrnehmen, wie aehnlich diesen Schachmaschinen die bekante ist, die H. v. Kempele erfand und die man wohl gar bewundert. ... H. v. Kempele war so gluecklich, sich an lebendige Schachmaschinen (...) halten und sie in der seinigen nachkopieren zu koennen."vi
Zur Kritik an geistlos, maschinenhaft funktionierenden Herr- schern und Untertanen, zur skeptischen Auseinandersetzung mit der Gegenwart und zu dŸsteren Zukunftsspekulationen bewegten die Automate nicht nur Jean Paul, sondern auch andere Zeitgenossen. Und so lesen sich ihre Kommentare ueber die Maschinenmenschen als verblueffend weitsichtige Vorwegnah- me der Situation im 21. Jahrhundert.

Wo vor zweihundert Jahren mechanische Automate das Publikum faszinierten, begluecken heute programmierte Roboter die Masse. Im Weltall sind sie auf OdyssŽ, in der Industrie steuern sie riesige Werkstaetten, als Servicekraefte schmeissen sie ganze Haushalte,
Robodoc setzt Hueftprothesen ein, Care-O-bot pflegt Omis und in Kinderzimmern tummeln sich Tamagotchis, Furbis und Aibos. Und auch das Denken nehmen Maschinen

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