Alles im Fluss? Eine Reflektion |
|
ausschöpfen. Was sich
während ganzer Erdzeitalter konzentrierte und in die Erdoberfläche
eingelagert hat, haben wir in 100 Jahren verbrannt.10
IV. Viehzucht und Fließen Die Zusammenhänge von Fleischerzeugung und Gülleproduktion kennen die meisten von uns. Sie sind zu riechen, wenn man bei bestimmten Wetterlagen zwischen Oldenburg und Osnabrück und weiter nach Holland unterwegs ist. Was wir nicht vermuten, ist durch die Mythologie der Griechen belegbar: Die Ausdünstungen der jahrelang ungemisteten Ställe des Königs Augias von Elis stanken schon im Altertum zum Himmel und erfüllten den ganzen Peloponnes. Seine Felder und Wiesen, auf denen neben Schafsherden Rinder so zahlreich wie die Tage eines Jahres weideten, konnten vor lauter Mist nicht einmal mehr gepflügt werden. Für uns ist das ein Beleg für Massentierhaltung in der Antike, und für Herkules war es eine Herausforderung. Er hatte Augias angeboten, die Ställe in Tagesfrist auszumisten und sich dafür 1/10-tel des Viehbestandes als Belohnung ausbedungen. Anders als es sich der König vorgestellt hatte, der den Helden mit einer Mistgabel hantieren wähnte, riss Herkules die Hofmauer an zwei Stellen ein, um das Wasser der Flüsse Alpheus und Peneis in das Innere der Stallungen zu leiten. Die Schafsweiden befanden sich im Tal, durch welches das Wasser abfloss und diese ebenfalls freigespülte. Dass die Fische davon nicht begeistert waren und Augias Herkules am Ende prellte, ist eine andere Geschichte. 1. Kinetische Energie und Reichtum durch Landwirtschaft
Die noch für heutige Verhältnisse große Herde ist ein Hinweis auf Massentierhaltung als Merkmal der Königswürde und ergo auch Quelle von Reichtum in der Antike. Zugleich sind die Zustände auf seinem Gelände ein Zeichen von Geiz, denn man kann davon ausgehen, dass Augias seinen Gewinn auf Kosten der Tiere und seiner Mitmenschen einfuhr, wobei er jahrelang die nötigen Arbeitskräfte einsparte. Alles zusammen |
wirft
ein Schlaglicht auf eine reiche und fleischverzehrenden
vorgeschicht- liche Oberschicht, welche die Notwendigkeiten des
Landbaus,
die Bestel- lung der Felder und Pflege der Wiesen unbeachtet ließ und
sich allein auf die Erzeugung tierischen Fetts und Proteins
spezialisiert hatte. Dieses stand zudem auf vier Beinen und
transportierten sich selbsttätig. Eine Herde war demzufolge ein
automobiler Geldspeicher mit Wertzuwachs. Jedes Einzellebewesen, war
dadurch Teil eines hybriden Gebildes, das Treibstoff- und
Nahrungsquelle mit der Fähigkeit sich selbst zu reproduzieren und zu
bewegen verband. Das heißt konkret, dass im Tier die Erzeugung
kinetischer Energie mit einem Treibstoffvorrat verknüpft ist, welcher
gegenüber den von Motoren getriebenen Vehikeln den zusätzlichen
Vorteil hat, dass dieser auch von Menschen verzehrt werden kann.
Wenn uns heute die Methoden der Agrar-, Öl- und Atomindustrie aufregen, so können wir davon ausgehen, dass diese einen Jahrtausende währenden Kampf um die Ausbeutung der sprudelnden Quellen des Reichtums fortsetzen, der sich gewissermaßen selbst herstellt, konzentriert und vervielfältigt. Und wie aus den antiken Mythen zu lesen ist, wird um diese Ressourcen mit allen Mitteln, mit List und Waffengewalt gekämpft. Nicht zufällig kamen auch die beiden mit der Leda gezeugten Zeussöhne Kastor und Plydeukes im Streit um eine Rinderherde zu Tode.11 Solche Aneig- nungsstrategien, ob legal, halb legal oder durch Raub und Erpressung werden nach wie vor beim Kampf um Rohstoffe eingesetzt. Ein rüdes Beispiel ist die Aneignung staatlicher Ölfirmen durch Privatpersonen in Russland.12 Aber auch die weiträumig verseuchten Flächen im Nigerdelta sind Teil der heutigen Versorgung mit Mineralöl, doch sind die seit Jahrzehnten bestehenden Schäden nie beseitigt worden, wie das von den Bewohnern der Golfküste in den USA eingeklagt werden wird. Begehrt ist, was fließt und was sprudelt, denn es ist nahezu mühelos verfügbar, wenn Macht und eine passende und zuverlässige Technik zur Hand ist, um den Reichtum abzuschöpfen. Nur Schäden und Beeinträch- |
10
Auf der Basis der Angaben, die 1992 zu Beginn des Agrospritanbaus
gemacht wurden, entstand die folgende Berechnung, die eine Vorstellung
über die Relation fossiler Energie zur tatsächlich aus Pflanzen
herstellbaren Energie vermittelt (Quelle: Dieter Seifried: Der Stau in
den Köpfen der Verkehrspolitiker, in: Fr. 21.03.1992, S. 12). Wenn
zugrunde gelegt wird, dass 1 ha Raps Rapsöl mit einem Energieäquivalent
von knapp 2000 Litern Benzin trägt, dann könnten 10% des Agrarlandes
der alten BRD 2% des Treibstoffverbrauchs der BRD decken. Folglich
könnte die gesamte nutzbare Anbaufläche der BRD lediglich 20% des
Kraftstoffverbrauchs der BRD decken. Der gesamte Energieverbrauch aus
Mineralöl, der außerdem Heizung und Stromgewinnung aus Erdöl umfasst,
ist in dieser Relation, die eine Annäherung ist, überhaupt nicht
berücksichtigt. | 11.Robert von Ranke-Graves, Griechische Mythologie, Bd. 2, (1955), dt. Reinbek 1960, zit. nach 1980, S. 113. 12 Dabei zeigt der Kampf zwischen Putin und Chodorkowski, dem der Diebstahl von 350 Mio. t Rohöl vorgeworfen wird, nur eine der vielen Möglichkeiten sich Reichtümer zu beschaffen und sie sich gegenseitig abzujagen. |
back |
Dokufoto
next |
Gefördert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg |