Der Ingenieur agiert immer innerhalb eines stabilen Systems, das Planung und routinierten Rückgriff auf erprobte Mittel zulässt, der Bricoleur hingegen bewegt sich in instabilen Zusammenhängen, und die Ressourcen, die sich ihm anbieten, werden vom Zufall bestimmt.

Durch diese Entscheidung für eine künstlerische Strategie wird die kulturspezifische Zugänglichkeit zum Material, für die wir im Alltag blind sind, offenkundig. Denn die Ressourcen, die für uns selbstverständlich und zugänglich erscheinen, bleiben dem prekären Exilanten in der Regel verwehrt.
Andererseits können wir eine überraschende metaphorische Entsprechung zwischen einem Großteil des gefundenen Materials und dem Vorgang der Konstruktion von Identität und Neudefinierung des individuellen Raums finden, denn die Materialien, z.B. Dämmstoffe, Schaumfolien und Bauschutznetze, stammen überwiegend von Baustellen, entspringt also einem Zusammenhang, in dem gezielt Raum konstruiert wird.

Ein anderes Material, das immer wieder auftritt, ist der universelle Werkstoff Holz, mal in natürlicher Form, mal als Artefakt, der aufgrund seines Verfalls seine ursprüngliche Funktion eingebüßt hat und damit in unserem kulturellen Verständnis zu „Abfall“ umgewertet wird.

Diese Materialien werden entweder bearbeitet und zu Objekten und räumlichen Ensembles zusammengefügt, die mitunter auch als kleine Modelllandschaften gelesen werden können, oder sie umhüllen oder bedecken einen Raum.

Hier wäre zunächst auf eine Installation hinzuweisen, die Lior Eshel mit rosafarbener Stretch-Folie erstellt hat. Mit dieser Folie waren die Koffer umwickelt, mit denen sie aus Israel nach Deutschland gekommen ist. Die Folie, selbst noch ein Bestandteil des Transfers, zudem das unter den gegebenen Umständen bescheidenste und naheliegendste Mittel zur Interaktion mit der Umgebung, wird verwendet, um die eigene Anwesenheit zu markieren und gleichzeitig einen Ort in Anspruch zu nehmen, einen Raum, den die in Transformation befindliche Identität  einmal ausfüllen soll.
So wird die von der Folie bedeckte Fläche nicht nur zu einem Claim, sondern die Folie wird gleichzeitig zu einer schützenden Hülle, einer ephemeren Abschirmung, einem Kokon für die liminale, sich entwickelnde Identität.

Eine andere Arbeit zeigt auf einer blauen Scheibe ein kleines Ensemble von Funden, die zu einer Art Miniaturlandschaft zusammen gestellt sind. Fetzen von Bauschutznetzen und andere Kleinigkeiten könnten flüchtige Schutzunterkünfte darstellen, oder auch Fischernetze am Strand, während der blaue Untergrund so bearbeitet ist, daß er an eine aufgebrochene Eislandschaft erinnert.
Das Ensemble rotiert wiederum auf einer Scheibe, es dreht sich auf der Stelle und gibt dem Objekt einen Nimbus der Vergeblichkeit.

Eine kleine, fast unscheinbare Papierarbeit zeigt eine eingeprägte Form. Sie stammt von der Fotografie eines zusammengebrochenen Pavillonzelts. In dieser Arbeit begegnen sich einerseits Reminiszenzen an die provisorischen und instabilen Notunterkünfte, in denen weltweit Abermillionen von Flüchtlingen leben müssen, andererseits können wir in der Einprägung auf einem weißen Blatt Papier eine Metapher dafür sehen, wie sich die neue Umgebung des Exils in die unberührte Matrix der Wahrnehmung einschreibt.

Eine weitere Arbeit, die vor allem aus einem verrotteten Holzpoller besteht, den Lior Eshel ebenfalls auf der Straße gefunden hat, erinnert an ein morsches Boot, das in einem auseinandergelaufenen Lehmklumpen steckt, als wäre es am Ufer einer kleinen Insel gestrandet. Hier finden wir, neben der Zurschaustellung der Methode der Bricolage, eine Reminiszenz an die Fluchtwege, auf die die derzeitigen Flüchtlingsströme angewiesen sind, und die sich, aufgrund der fehlenden technischen Ressourcen und des Zwangs zur Inpro-visation, oft als Todesfallen erweisen.


Die Verletzungen und Brüche der Lebenslinien kann man auch aus einer anderen Arbeit herauslesen: Ein großer Ast, der zum Teil eingegipst ist und auf Sockeln aus schmelzendem Eis ruht. Er ist gerichtet auf die Dia-Projektion einer sumpfigen, bewaldeten Uferlandschaft. Es scheint, als sei er aus ihr entnommen worden und strebe zu ihr zurück. Das abschmel- zende Eis bildet auf dem Boden eine Pfütze. Fast gewinnt man den Eindruck, als wäre es eine Blutlache, die aus einer nicht heilenden Wunde unter dem Gips hervorquillt. Auf der Oberfläche der Pfütze spiegelt sich wiederum die Uferlandschaft, als spiegele sich der Ort der Herkunft in dem Trennungsschmerz.
In dieser beziehungsreichen Arbeit begegnen wir der Vergeblichkeit auf mehreren Ebenen wieder: So wie das scheinbare Recken des Astes nach dem Bild seines

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Vernissage
Die 5. Ausstellung zum Jahresprogramm (Keine) Wendemöglichkeit 2018 des EINSTELLUNGSRAUM e.V.

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