Gunnar F. Gerlach: Dialektik der Entsteuerung
EINSTELLUNGSRAUM e.V., 23.06.06

Tonbandabschrift Elke Suhr


Es gibt  sozusagen zwei Motive, die ich der Dialektik der Entsteuerung voranstellen möchte und zwar den kleinen Versuch, die scheinbare Ordnung der verordneten Diskurse mit konstruktiver Störarbeit in kritischer Idylle gegenzuverwirren.


Ich beginne mit drei Zitaten:
1. Johann W. v. Goethe
2. André Breton
3. Theodor W. Adorno

Altmeister Goethe sagt 1805 in den Annalen oder Tag- und Jahresheften:
Was hilft es, die Sinnlichkeit zu zähmen, den Verstand zu bilden, der Vernunft die Herrschaft zu sichern - die Einbildungskraft dauert als der mächtigste Feind. Sie hat von Natur einen unwiderstehlichen Trieb zum Absurden, der selbst im gebildeten Menschen mächtig wäre gegen alle Kultur, die Anstand und Hoheit Fratzenlügner bildend, mitten in der anständigen Welt wieder zum Vorschein kommt.

Fast 150 Jahre später, 1941, fordert André Breton, zu der Zeit hart attackiert von den hardcore-Leuten der kommunistischen  Partei: Was nützt uns diese Vernunft, wenn sie von einer Generation zur nächsten nur in den Wahnsinn neuer Kriege führt.

Zitat 3 -  Theodor W. Adorno in "Meditation zur Metaphysik", 1966, Teil übrigens der "Negativen Dialektik":

Was einmal der Geist als seinesgleichen zu bestimmen oder zu konstruieren sich bemühte, bewegt sich auf das hin, was dem Geist nicht gleicht, was seiner Herrschaft sich entzieht und woran sie doch als absolut Böses offenbar wird. Die summarische sinnferne Schicht des Lebendigen ist Schauplatz des Leidens, das in den Lagern alles Beschwichtigende des Geistes und seiner Objektivationen der
Kultur ohne Trost verbreitet. Unbewusstes Wissen flüstert den Kindern zu, was da von der zivilisatorischen Erziehung verdrängt wird ins " was ist das?" und "wohin geht es?".

Ja, genau das ist die Frage: ,wohin geht das' und ,was ist das' und was soll diese kleinen assoziativen Gedankenschiffchen in drei kleinen Ausfahrten auf das ungewisse GewŠsser lenken, steuern und navigieren.

Der 1. Punkt wäre dann die Frage: zu welchem Ziel und Zwecke steuern, lenken und navigieren wir in geistigen und künstlerischen Angelegenheiten zur Zeit und welchem dialektischen Prozess, Sinn einer Dialektik der Aufklärung, müssen  wir dabei begegnen?

2. Was leitet und lenkte mich persönlich in meine künstlerisch, philosophische Projektarbeit in die Irrenanstalt nach Bedburg - Hau, in die Umgebung von Joseph Beuys und den Begriff der sozialen Plastik.

Und 3.: Welche Zwischenergebnisse lassen Ableitungen für eine andere, künstlerisch philosophische und vielleicht sogar kunsttheoretische und kunsthisto-rische Praxis  treffen.


Beginnen wir also, etwa analog zu Silke, mit dem Versuch, aus der Etymologie sozusagen, eine Grundsteuerung zu erkennen. Da wir das bei Silke gehört haben, verkürze ich das sehr stark: lenken - tatsächlich zu lank und lache - kommt eben auch von Hüfte und Gelenk und dessen Wirkung ist ungeläufig, dass es eben auch vom Geh-Lenk kommt. Joseph Beuys, erinnere ich nur: ich denke sowieso mit dem Knie, sagte er übrigens als eine Studentin während eines 
Vortrages im Getümmel gegen ihn fiel, ihm fast das Bein zerbrochen hatte, am Kniegelenk hängen blieb mit ihrer Schädeldecke. Das ist schon spannend...

Steuer von stiura, mhdt.. Bedeutung ist zunächst Stütze und Unterstützung und ziemlich kurz danach -  Steuer, Ruder - und natürlich dann späterhin - Silke hatte auch schon drauf hingewiesen - im Zusammenhang mit dem Schiff - also das Steuerbord, die rechte Seite des Schiffes lenken.

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