Einigungen, also auch andere Gesetze. Aus sich selbst heraus existieren sie nicht.

Hier in dieser Arbeit werden wir darauf hingewiesen, welche Wirk- kraft vom einstigen Klang des Wortes und ihrer manifestierten Ver- festigung, der Schrift ausgeht. Eindruck! Ein Druck? Mit der Schrift berühren wir die Jahrmillionen der Menschheitsgeschichte. Und auch das finde ich bei Doris immer wieder: ihr historische Ader, sie ist wie ein moderner Chronist, mehr im Sinne einer Fährtenleserin und Eindrückesammlerin.

Zurück zur Schrift. Haben Sie mal versucht, Texte von Mystikern zu lesen? Alle Wörter sind uns vielleicht bekannt, aber was können wir aus diesen Texten wirklich verstehen? Eigentlich verstehen wir nur, was wir schon wissen.  Und das ist auch bei anderen Texten so. Warum? Weil unser Gehirn immer das Wahrgenommene mit dem vergleicht, was wir irgendwann zuvor schon einmal wahrgenommen haben. Haben wir keinen Vergleich, erfindet es etwas, um es einsortieren zu können - vielleicht ein bisschen so wie die automatische Schriftkorrektur im Handy. Manchmal etwas absurd, oder? Unordnung scheint ihm, dem Gehirn, dem Verstand, also gar nicht zu passen. Aber wer weiß, vielleicht gibt es da doch noch die Kategorie: keine Ahnung oder fühle was, verstehe ich aber nicht, muss wohl Kunst sein!

Sprache ist nicht eindeutig. Eher scheint sie mir wie ein Spiegel, eine gute Plattform für die eigene Deutung. Ist es nicht ein Wunder, dass wir uns überhaupt verständigen können?

Doris zeigt uns die Form der Schrift in Auflösung. Was für ein wunderbares Spiel, das Druckfeste als einzelne Form aus dem Kontext zu lösen, in den Raum zu befreien, sie zu umschreiten, sie zu spiegeln. Plötzlich wird das scheinbar Feste zum Tanzen gebracht: in den freien Raum der unsichtbaren Energien entlassen.
Die Leere des Blattes wird zum Raum der Möglichkeiten. Es ist sanfter als die Explosion eines Sauerstoff-Zündgemischs in einem Verbrennungsmotor. Neue Formen entstehen wie von selbst, frei von Be-deutung, aber Resonanz evozierend.

Auch die filigranen Liniengebilde der „Risse“ bringen die Leere zum Schwingen. Lange schon wird Doris Cordes-Vollert von solchen Gebilden angezogen. Die Spur dessen, was in Bewegung ist, das Feste, das sich wandelt. Es sind Häuserwände, Mauern, Steine, die diese Spuren, die Hinterlassenschaften eines Prozesses in einem nicht wahrnehmbaren Zeitrahmen mit würdevoller Gelassenheit tragen. Risse, Schnitte, Kerben. Fast geben sie dem Betrachter eine weitere Plattform zu hemmungsloser Assoziation. Aber das ist nicht die Essenz. Die Risse öffnen das Feste und zeigen einen leeren Raum im Dazwischen.

Dieses geheimnisvolle Dazwischen. Was mag das sein? Wenn man sich darauf einlässt, scheint für einen Moment die Zeit darin angehalten. Vergangenheit und Gegenwart sinken ineinander. Ist das zu halten? Ich würde sagen, man kann es nur immer wieder erleben und doch wird es jedes Mal anders sein. So wie ein Son- nenaufgang am gleichen Ort unterschiedlich ist in den Jahres- zeiten, durch Wolken, Schnee, Nebel u.v.m. und egal ob ich schlecht gelaunt bin oder gut, das Schauspiel vollzieht sich in seinem natürlichen Rhythmus. Aufmerksam werden, achtsam werden. Die Natur malt mit Licht in allen Farben. Wie bei der Auflösung der Schrift gerät nun der Raum im Dazwischen in Vibration, in Bewegung.

Ich hörte neulich einen Vortrag zum Thema Quantenphysik und die Beziehung zur indischen Philosophie des abhängigen Entstehens von Nagarjuna. Dr. Kohl sprach davon, dass sich alle Dinge aus Formationen einzelner Elemente und Elementegruppen zusammenfügen. Zwischen den einzelnen Teilen bestünde eine Art Zwischenraum, der leer wäre und es dadurch nicht zu
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Die 10. Ausstellung im Jahresprojekt  Autos fahren keine Treppen  des EINSTELLUNGSRAUM e.V.

Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg