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Im
Keller des Einstellungsraums sehen wir
eine Wolldecke, die eine Naturansicht
zeigt, beschnitten und auf eine Platte
gespannt. Wir wissen: sie hat einmal
gewärmt und geschützt, doch nun ist sie
zweckentfremdet und nur noch ein Abbild,
eine Erinnerung an den Garten Eden.
Darauf, unproportional groß, sitzen zwei
Schnecken, die ebenfalls aus dem Deckenstoff
geformt sind.
Quer über die
Decke ist in großen, unbeholfenen Buchstaben
das Wort „tempered“ geschrieben. Das Wort
wirkt wie der Versuch einer Einordnung,
einer Bestimmung des Zustandes der Natur,
eine Kontrolle der Interpretation durch eine
plakativ aufgebrachte Begrifflichkeit. Doch
ebenso unbeholfen wie die Schrift ist auch
die Wahl des Begriffs.
Denn das Wort
„tempered“ ist alles andere als eindeutig.
Tatsächlich wird das Wort im Englischen fast
nie ohne Beiwörter verwendet, die den
Charakter genauer bestimmen. So kann es als
ill-tempered, hot-tempered, even-tempered,
well- tempered, bad-tempered etc. nahezu
alle Arten von Launen von gutmütig und
gemäßigt über griesgrämig bis hitzig und
heftig zum Ausdruck bringen.
So scheitert der
Versuch, die Natur durch eine Definition
ihres Charakters einzu-grenzen und zu
kontrollieren auf ganzer Linie. Sie bleibt
verschlossen und verbirgt ihr Inneres, wie
die auf der Decke applizierten Schnecken.
Auch der
Ausschnitt aus der Uferszenerie, die
ursprünglich sicher als idyllisch konzipiert
gewesen ist, ist so gewählt, daß
dunkelbraune Töne dominieren und Schatten
den Blick auf Details verwehren. Die Natur verweigert sich dem
scharfen, analytischen Blick und verbirgt
sich im Vagen, Dunklen und Unscharfen.
Und als
kommentiere sie schließlich ironisch den
Versuch, sie mit einem Begriff festzunageln,
folgt dem Wort „tempered“ auf dem
Deckenmotiv eine Reihe heller Punkte, Kiesel
oder Lichtreflexe. Wie drei angefügte Punkte
im Schriftbild markieren sie die Bestimmung
„tempered“ als nicht abgeschlossen und
fragwürdig.
Vor der Arbeit
auf dem Boden steht ein rotierendes Licht.
Es dreht sich unablässig um sich selbst und
läßt dabei einzelne, schwache Lichtstreifen
über die Uferszene gleiten, die an die
abtastenden Lichtstreifen eines Scanners
erinnern. In dem nahegelegten Kontext könnte
man es lesen als Metapher für einen weiteren
männlichen und unzulänglichen Versuch, die
entfremdete Natur mit logisch-technischen
Hilfsmittel zu überwachen und zu verstehen.
aus: Demeter
sagt: Nein! - Einführungsrede zur
Ausstellung "Christine Carstens: ...dreh
dich noch einmal um…Moment" von Dr.
Thomas Piesbergen,
28.07.2017
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