Falls wir geneigt
sind, diese Installation als ein Modell des Weltalls zu
betrachten, so könnten wir hier wie dort Regionen
unterschiedlicher Dichte bemerken. Es gibt
Zusammenballungen von Objekten und der sie verbindenden
Fäden. Das Ganze ist im Wesentlichen zwar unbewegt, doch
erscheint uns Menschen das Weltall in seiner kosmischen
Ausdehnung ebenfalls unbewegt, obwohl die dort
befindlichen gigantischen Massen tatsächlich mit enormer
Geschwindigkeit unterwegs und viele Himmels- körper
sogar in katastrophalen Entwicklungsstadien sind:
Galaxien durch- kreuzen einander, Materie ionisiert,
vereinigt sich zu neuen Sternen- systemen, oder
Sternenhaufen stürzen in sich zusammen, um neue
Schwerkraftinseln zu bilden.
3. Dimensionen einstellen Wenn wir uns auf das Weltall beziehen, haben wir es mit unvorstellbaren Massen und Geschwindigkeiten zu tun. Doch blicken wir aus unseren Augen von unserem Planeten Erde zu den Sternen, sieht alles ganz filigran aus. Das ist besonders der Fall, wenn wir uns ästhetischer Hilfsmittel bedienen. Schauen wir uns z.B. die phantastischen Fotos an, die aus den Daten des Weltraumteleskops Hubble errechnet werden, und durch ihre farbenprächtigen Strukturen jeden Maler demütigen. Überhaupt ist ja der Blick in den Mikro- und Makrokosmos, der zunächst noch in den Händen der Künstler lag, zu einer bildgebenden Technologie geworden, welche die ästhetische Vorherrschaft an sich gezogen hat, so dass für die Künstler nur noch die Reste des explodierenden Kosmos der Ästhetik übrig bleiben. Die Basis der Krise der Kunst liegt in der Verschiebung der Dimensionen durch die Medien: - Fernes erscheint nah, Kleines groß und umgekehrt. - Hohe Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit wirken eingefroren. - Unendliche Massen begegnen uns auf Bildern und Filmen und erscheinen zum Greifen nah. Bleiben wir auf dem Teppich und blicken nach oben! Über uns haben wir einen Kosmos: Einen Kosmos aus Fundstücken, die Bromma über uns schwebend installiert hat. Sie hat ihn – dank der vielen Bremsvorgänge mit ihrem Fahrrad – aus dem Abfall geborgen, der unbestimmt auf den Straßen und Wegen zirkuliert, und in einer noch zu erschließenden Form aufgespannt. |
Schauen wir in das
Netz und durch die Gewebestruktur, so sehen wir kein
räderförmiges zentralistisches Netz. Hier sind Fäden
gleichmäßig im ganzen Raum verspannt und dazwischen
ballen sich Cluster. Ihr Netz ist also nicht
hierarchisch, denn es beinhaltet scheinbar chaotische
Verklumpungen, die mehr Aufmerksamkeit verlangen als die
ausgedünnten Bereiche, wo eingeflochtene Stücke aus
Kabeln, Draht, Kordel, Styropor. Pflanzenreste und Blech
als Linien bewegt hervortreten und als tanzende Körper
erscheinen. Die Zusammenballungen erinnern dagegen an
Fischernetze, wie man sie mit tausenderlei Dingen
verheddert gelegentlich an Stränden findet. Was hier
über uns hängt, ist allerdings kein Zufallsprodukt, das
Auskunft über die Meeresgegenden gibt, durch die
Strömungen es getrieben haben, sondern diese Cluster
hier sind Konzentrate vorhergehender Ausstellungen der
Künstlerin.
Es ist verblüffend, Bromma in ihrer Erinnerungsarbeit zu erleben. Sie steht unter den Netzen und entdeckt einen unscheinbaren Fetzen aus Metall oder Kunststoff darin und sagt dann, dieses Fragment von einem Haushaltssieb wäre 2003 in Nürnberg ausgestellt gewesen. In einem anderen Cluster hängt ein Schraubverschluss, und Bromma weiß sofort, dass dieser zur Installation in Hildesheim 2002 gehörte. So geht es weiter, und es findet sich eine Blisterpackung, die sie während ihres Aufenthalts als Erasmusstipendiatin 1994 auf Island aufgelesen hat. Selbst ein leeres leuchtend grünes Gasfeuerzeug ordnet sie umgehend ihrer Ausstellung 2004 in Hannover zu. Diese Installationen wurden beim Abbau zusam- mengerafft, was die lichten und luftigen Anordnungen verdichtet hat. Auf diese Weise aufbewahrt, bleibt jede Ausstellung, obwohl temporär im Raum ausgedehnt, als Konzentrat verfügbar. In dieser Methode liegt für mich die Besonderheit der Installationen Brommas, die sich von den Arbeiten anderen Gewebekünstler unterscheiden. Während Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger Gewebe aus botanischen und industriellen Artefakten unterschiedlichster Provenienz spinnen und durch Materialien aus dem Baumarkt ästhetische Effekte erzeugen, geht es Bromma um die Spur. Sie verbindet die Fundstücke ihrer Wege mit ihrer Biografie, so dass die mit Gegenständen bestückten Netze mit ihrer Lebensbahn verknüpfte Einschreibungen sind. Die Netze sind ein Gedächtnissystem. Das wird durch das orangefarbene Garn unterstrichen, das sie |
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