Bromba zeigt uns Kinder in Situationen, die tatsächlich kennzeichnend für die Kindheit sind. Wir sehen Kinder, die ganz bei sich sind, die in den Augenblick versenkt sind, die sich in einer Welt, so unvollkommen sie auch sein mag, mittels ihrer Vorstellungskraft Inseln geschaffen haben, auf denen eigenständige und eigenwillige Gesetze gelten, auf denen ihre eigene, in sich geschlossene Version der Wirklichkeit herrscht.
Wie die unscheinbaren Details sind sie umgeben von ihren eigenen Geschichten. Wie die vom Verfall heimgesuchten, vergessenen Dinge haben sie sich einen poetischen Raum geschaffen, der sie jeder Funktionalität, Kontrolle und Verwertbarkeit entzieht. Sie folgen ihrer eigenen Melodie, ihrem eigenen inneren Ton und scheinen kaum beeinträchtigt zu sein von dem „Geräusch auf der Gassen“, das die Städte überflutet hat.

Wir sehen ein Mädchen in stummer Zwiesprache mit einem Bären im Zoo von Königsberg, in deren Phantasie sich vielleicht gerade die Vorstellungen einer tiefen, märchenhaften Freundschaft zu dem Tier entspinnt.

Ein anderes Bild zeigt zwei Jungen in dem verarmten Araberviertel von Jerusalem, die sich eine kleine Nische in einer Mauer als Rückzugsort und den ewig wandelbaren Ort ihrer Spiele erobert haben, der mal Küche, mal Palast, mal Räuber- oder Drachenhöhle, mal Polizeirevier sein kann.

Ein drittes Bild zeigt einen kleinen Jungen, der vor einer mit Graffiti besprühten Mauer auf einem Kantstein balanciert. Hinter ihm prangt der Schriftzug „Königsberg“, durch das (also durch die Stadt | Anm. der Red.) ebenfalls eine große lokalpatriotische Welle des image-fördernden Stadtmarketings rollt. Doch darum kümmert sich der Junge nicht, er wendet den Parolen und Tags den Rücken zu und es wird klar, die Graffitis und das, wofür die stehen, sind bereits in die Vergangenheit gerückt, sind jetzt schon dem Verfall ausgesetzt.
Die Zukunft hingegen wächst in dem eigenen poetischen Raum, in der eigenwilligen Welt des Kindes heran.
Andreas Bromba, Königsberg im Rücken, Kaliningrad

Angesichts dieses Bildes wird spätestens auch der Hintersinn des Namens der Ausstellung und der Konzeptserie offenkundig. Stadt von unten deutet vor allem darauf hin, woher die Städte ihre Kraft beziehen, ihre Lebendigkeit. Denn das, was die Städte am Leben erhält, sind nicht imagefördernde Maßnahmen oder prestigeträchtige Unternehmungen, sondern es sind die vielen Leben, die vielen, eigenwilligen Stimmen und die sich selbst genügenden Melodien im dissonanten Chor, der sich beharrlich weigert, eine harmonische Sinfonie der Großstadt zu werden.

ⓒ Dr. phil. Thomas Piesbergen / VGWort, Juni 2015


Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek 
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