Bilder aus
der Zwischenwelt zutage fördern Johannes Lothar Schröder In der Ausstellung ausloten von Edith Sticker lassen sich drei Gruppen von Arbeiten unterscheiden. I. Eine gestische Bildfindung Die Bilder sind so gehängt, dass
Besucher der Ausstellung an den kleinformatigen Ölbilder
vorbei zu dem Objekt hingeleitet werden, das auf den
ersten Blick gar nichts mit Malerei zu tun hat; denn es
ist aus Seidenstoffen und Klarsichtfolie wie ein
Kleidungsstück über einem Gestell drapiert. Während man
es betrachtet, kehrt man den Tuschemalereien den Rücken
zu. Als Vorstufe der textilen Arbeit beinhalten sie
allerdings den Schlüssel zur darin enthaltenen
Bildfindung.
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Betrachtet man die Formen, so
lässt sich im oberen Drittel der Blätter ein
unterschiedlich klar erkennbarer hockender Körper
ausmachen. Auf einem Blatt verbindet ein Tuschestreifen
die Figur mit dem unteren Bildrand. Diese Vertikale wird
am Objekt durch eine senkrecht gestreifte Stoffbahn als
stilisierter Baum wiedergegeben, die nach oben auf
Wachstum gerichtet und zugleich nach unten auf seine
Befestigung am Boden orientiert ist. In der Realität
findet der Baum dort seine Verankerung mit Wasser- und
Nahrungsreservoir, während hier das lange Stoffende sich
doppelt wellend locker auf den Boden fällt. Seine
Bewegung übernimmt ein den Falten entspringender
dunkelblauer Stoffstreifen, der sich in Form einer
Schlange empor windet. Sticker lässt sie überraschend
aus dem Alten Testament im Bild auftauchen, um zu
signalisieren, dass der Aufenthalt des Zachäus im
irdischen Paradies beendet ist, denn die Begegnung mit
Jesus, wird ihm ja das als Zöllner teils unberechtigt
angeeignete Vermögen kostet, das er seinen Klienten
zurückzuerstatten verspricht. Sticker liest die
Schöpfungsgeschichte religionsgeschichtlich vor dem
Hintergrund der „Bedeutung der Nacktheit für das
Menschenbild von Genesis 2 und 3‘. Darin werden dem
Mythos entsprechend „Die Folgen der Übertretung/Die
Wirkung der verbotenen Frucht“2
beschrieben, nachdem „der Mensch und seine Frau“ der
Verlockung der Schlange gefolgt waren.
Mit ihrer Antwort auf die Frage, wie die neutestamentliche Geschichte des Zachäus zu interpretieren sei, schlug die Künstlerin weder einen ikonographischen noch einen philologischen Weg der Bildfindung ein, sondern ihre Wahl fiel auf die Ergebnisse einer Übung in japanischer Tuschemalerei. Im Rahmen eines Workshops bekam die Künstlerin die Aufgabe, das chinesische Piktogramm für Nebel mit einem großen Tuschpinsel wie- derzugeben. Die vor mehr als einem Jahrzehnt entstandenen Resultate sind auf 4 nebeneinander hängenden hochformatigen Blättern zu sehen. Die Sequenz beginnt mit der zunächst mustergültigen Wiedergabe eines Schriftzeichens, wobei zu beobachten ist, wie sich der Malakt im Verlauf der Übung den Erfordernissen der Konvention entzog, so dass die den Tuschpinsel führende Hand schließlich eigenen Impulsen folgte, in deren Bewegungen zwar noch Rhythmus und Duktus der Aufgabe nachschwangen, sich aber zunehmend von willkürlichen Darstellungsabsichten befreite. Durch die Suspension des Gestaltungswillens blieb zwar die Linienführung des Piktogramms im Ansatz stabil, doch führte die Variation des Piktogramms zu einer neuen Bildfindung, welche in diesem Fall eine Figur hervorbrachte, in der die Künstlerin ihre Darstellung des Zachäus entzifferte. |
1 Undine
Eberlein, Zeit und Dauer, in: hühnerhaus volksdorf.
kunst, Hamburg 2011, S. 22-25 Das Hühnerhaus steht im
Garten der Künstlerin in Hamburg Volksdorf, wo es 1939
zusammen mit dem Wohnhaus errichtet wurde. Seit 2009
stellt es Edith Sticker als Ausstellungsort zur
Verfügung. |
2 'Da wurden
ihnen die Augen ihrer Zweiheit /ihrer beiden Augen
geöffnet und sie erkannten/wußten, dass sie nackt
(waren). Da banden sie sich Laub eines Feigenbaumes
und machten sich Gürtel/Schurze. Als sie die
Stimme/den Klang JHWS Elohims hörten, wie er
einherging im Garten in der Abendkühle/zum Wehen des
Tages, da versteckten sich der Mensch und seine Frau
vor (dem Angesicht) JHWS Elohims inmitten der
Bäume/des Gehölzes des Gartens.' Friedhelm Hartenstein, Arbeitsübersetzung der Vorlesung zu Genesis 2 und 3, Sommersemester 2007 Universität Hamburg |
Die 08. Ausstellung im
Jahresprojekt Autos
fahren keine Treppen des EINSTELLUNGSRAUM e.V. |
Vernissage |
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg | |
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