das eine aus dem anderen hervorgegangen ist. Wie aber die vorhandene Schnittstelle beschaffen ist oder wie sich der Übergang von der einen zur anderen Sphäre abspielt, ist nur noch selten nachvollziehbar oder dem Alltagsbewußtsein unerwünscht. Genauso fehlt meist das akute Bewußtsein für das direkte Abhängigkeits-verhältnis beider Sphären.

Ursache dafür ist einerseits die Bequemlichkeit des Menschen, die ihn dazu veranlasst, Verantwortung so gut es geht von sich fern zu halten, andererseits ist es die routinierte Entfremdung von den verantwortlichen Transformationsprozessen, mittels derer Rohstoffe in die Sphäre der Kultur überführt werden, und die durch arbeitsteilige Verfahren so weit von den Individuen abgerückt sind, daß sie kaum noch wahrgenommen werden können.

Ein Bindeglied, ein Prozesskomplex in dem sich diese nahezu alchimistische Umwandlung von Natur in Kultur abspielt, befindet sich jedoch noch immer im Zentrum des menschlichen Operationsradius: Die Zubereitung unserer Nahrung.
Dem Rechnung tragend benannte Claude Levi-Strauss, der Begründer des Strukturalismus, den ersten Teil seines Hauptwerks „Mythologica“ entsprechend „Das Rohe und das Gekochte“. Denn so wie das „Innen“ und das „Außen“ die maßgeblichen räumlichen Markierungen der Kultur sind, so markieren die Zustände „roh“ und „gekocht“ die wohl bedeutendste qualitative Grenze zwischen Natur und Kultur.
                                Foto Eva Ammermann
Eva Ammermann, 121) Eier in Schnee, Ausstellungsansicht, 2017
„Man kann daher am Grad der Verwandlung vom Rohen zum Gekochten den Zustand der Zivilisation ablesen. Zwischen Kultur und Küche gibt es einen Zusammenhang. Gewissermaßen wächst mit der Höhe der Temperatur in der Küche die Höhe der Kultur. Kultur hat etwas zu tun mit der Temperatur der Nahrungsmittel.“ (Levi-Strauss, Mythologica Bd. 1)
Es ist im Prinzip also jedem Individuum möglich, die Transformation von Natur zu Kultur selbst zu bewirken, in dem man aus natürlichen Grundzutaten etwas kocht und dadurch ein kulturell signifikantes Produkt herstellt.
Doch selbst dieser schlichte Vorgang wird von immer weniger Menschen vollzogen. Laut dem Ernährungsreport 2017 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wird nur noch in 39% aller Haushalte regelmäßig gekocht. Bereits in 11% der Haushalte bleibt die Küche vollständig kalt und man ernährt sich nur noch außer Haus in Kantinen oder Imbissen.

Selbst wenn gekocht wird, kommen meist keine natürlichen Grundnahrungsmittel zum Einsatz, sondern in rasant zunehmendem Maß Convenience-Produkte, also teilfertige Gerichte, die nur noch durch Gemüse, Fleisch oder Sättigungsbeilagen ergänzt werden müssen, oder komplette Fertiggerichte, die man lediglich erhitzen muß.

Statt des Wissens, wie man aus einer Handvoll Grundnahrungsmittel eine nahezu uner- schöpfliche Fülle verschiedenster Gerichte zubereiten kann, wird von der Nahrungs-mittelindustrie vermittelt, man brauche für jedes Gericht, für jede Soße, jedes Dessert die ganz spezielle, vorgefertigte Mischung aus der unüberschaubaren Legion der Tüten und Dosen aus dem Supermarkt, deren Rezepturen und
Herstellung so kompliziert sind, daß sie unbedingt den Spezialisten eben dieser Nahrungsmittelindustrie überlassen werden müssen.

Eva Ammermann beschäftigt sich in ihren Arbeiten schon seit längerer Zeit mit dem Thema Essen und versucht, den tiefen Graben, der sich zwischen dem Menschen und der ihn ernährenden Natur aufgetan hat, zu überbrücken. Die Arbeiten, die in der Ausstellung 121) Eier in Schnee zu sehen sind, sind in der Schnittmenge ihres persönlichen Jahresthemas „Enthaltsamkeit“ mit dem Jahresthema des Einstellungsraums „Drehmoment“ entstanden.

Ausgangspunkt ist entsprechend nicht das Kochen selbst, sondern der transformierende Prozess des Verquirlens und Aufschlagens.

Die Herstellung von Eischnee oder Schlagsahne scheint uns heute ein gewöhnlicher Prozess zu sein und kaum mit dem Begriff der Entfremdung in irgendeiner Beziehung zu stehen.
Doch durch die modernen Errungenschaften der Technosphäre in Gestalt eines elektrischen Handmixers mit seinem hohen Drehmoment ist die für uns gewohnte Zubereitung von Eischnee etwa so natürlich wie eine zweistündige Fahrt über die Autobahn. Ziehen wir diesen Beitrag aus der Technosphäre ab, haben wir statt dessen, um bei diesem im Vergleich zu bleiben, eine mehrtägige Wanderung zu Fuß vor uns. Eine Erhöhung des Drehmoments bedeutet in diesem Fall also eine Distanzierung von dem akuten Transformationsprozess von Natur in Kultur.

Um sich diesem akuten Transformierungsprozess anzunähern, arbeitet Eva Ammermann auf

Dokumantation
Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek
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