gesellschaftliche Wirken der Handwerker enthalten bis heute die kosmische Bedeutung des Jahreslaufs und weisen auf die geistigen Verbindungen ihrer Tätigkeiten durch die Jahrhunderte hin. Wie Serge Sautreau und André Velter feststellen, ist der Mensch auch über seine Werkzeuge mit dem Kosmischen verbunden. Vor diesem Hintergrund hat die Verwandlung der Werkzeuge in Maschinen und die Aufsplitterung zahlreicher handwerklicher Tätigkeiten in arbeitsteilige Industriearbeit weitreichende Folgen.

"Das Werkzeug wird zur Maschine. Man wird das Wissen über das Universum vermehren, dabei gleichzeitig den Sinn für das Universelle verlieren. Die Vertrautheit eines Lebewesens mit seiner Umwelt ist, ob es uns gefällt oder nicht, mit dem Kosmischen eng verknüpft. Indem man die Zeit und den Raum abwertet, schafft man eine Grundbefindlichkeit der Angst, der Neurose und der Scham. Dieser innere Verlust des Kosmischen hat einen Namen. Er heißt: Ökonomie. Wir müssen verstehen lernen, dass die Ökonomie, sei es mit Gold, sei es mit Schweiß, niemals etwas anderes wird produzieren kšnnen als Gold oder Schweiß. Was auf diese Weise ausgespart wird, ist das Bewusstsein; was produziert wird, ist Seinsangst und das Verbot von Zeit.", folgern Sautreau und Velter7  aus den Veränderungen der Arbeits-abläufe, die sich seit dem 19. Jahrhundert schrittweise infolge die Ablösung der Handarbeit durch Maschinenarbeit ergeben haben.

Die Frage, die mit dem Umschlagen des Verhältnisses zum Kosmischen, zur Zeit und zum Raum beantwortet werden soll, hängt mit dem Gewaltverhältnis zusammen, das Kiessner durch die  Hämmerkšpfe exemplarisch thematisiert hat, die gegen die Gelenke der Guidonischen Hand gerichtet sind. Sie durchschlagen die Fläche des Bildes physisch und versinnbildlichen die punktuelle Zerstörung einer an die Hand gebundenen Ordnung der Zeit und des Raumes, die durch die Verbindung zwischen den handwerklichen und geistigen Fähigkeiten gegeben ist, wie sie sich besonders auch durch die liturgischen Gesänge und die Aufteilung des Jahres im Kirchenjahr darstellt. Hierin hatten Fest- und Feiertage je eigene Gesänge, die den Wechsel zwischen Arbeit und Freizeit bestimmten und das Jahr orchestrierten.
Die Argumentationsschritte, die bei Sautreau und Velter zu erkennen sind, haben einen Grund in den Zeitvereinbarungen der Zünfte und Gilden, die durch die Einführung der Maschine nach und nach gebrochen worden sind. Wir erleben das heute durch ständiges Anfechten der Sonntagsruhe und die Aufhebung von Feiertagen. ökonomisch betrachtet, erscheint das begründbar, doch kulturell und anthropologisch ist es eine Katastrophe, durch welche die rituell und kulturell geknüpften Verbindungen zwischen der Arbeit und dem Kosmos zerrissen werden, womit die alte Ordnung von Zeit und Raum perforiert wird, ohne dass eine neue in Aussicht stünde.

Bemerkenswert, dass solche Umbrüche, in denen man oft von "Zeitenwende" spricht, mit der Thematisierung von Zerstörung in der Kunst einhergehen: Erstmals im 20. Jahrhundert wurde dieses Verhältnis mit der Benennung der Zerstörung von "Raum und Zeit" 1909 von den Futuristen thematisiert. Während der Automatisierung der Werkhallen, die erforderlich war, um die Atomrüstung und Raketentechnologie voranzutreiben, entwik- kelte Gustav Metzger seine autodestruktiven Kunstobjekte (1960), von denen ausgehend er 1966 das Destruction in Art Symposium (DIAS) in London organisierte.8 In der Zeit der fortschreitenden Globalisierung und Digitalisierung der Produktion entstand Douglas Gordons Left Dead, Dead Right (1998), das er durch Abbinden seiner eigenen Hände bis an die Grenze ihres Absterbens herbeiführte. Diese durch Video und Photo dokumentierte Selbstgefährdung und der Titel können als Statement über die Entkoppelung von Handfertigkeit und Kunstproduktion sowie das Zusammenbrechen der bisherigen politischen Antagonismen gelesen werden.


ZWEI ANHÄNGE

1.    Ein Beispiel für den Übergang von der Handwerksarbeit zur Industriearbeit im Ruhrgebiet:
Rainer Stahlschmidt hat anhand der Drahtzieher die Übergänge für einen Berufszweig untersucht9, der relativ lange - bis in die 1920er Jahre - seine handwerkliche Unabhängigkeit in der Nähe der großen Industriehallen beibehalten konnte. Erst die Morgan-Connor-Maschine10 ,  die das
Die 07. Ausstellung im Jahresprojekt  Autos fahren keine Treppen  des EINSTELLUNGSRAUM  e.V.
Vernissage
7 Das Werkzeug der Utopie, in: ebd., S. 464 Ð 474, 472/3
8 Kristine Stiles wies darauf hin, dass die Künstler seit den späten 1950er Jahren Zerstšrung und Gewalt in die Diskurse einschleusten, als diese Themen in den Institutionen noch ausgespart blieben. Die Geschichte des Destruktion in Art Symposium und der "DIAS-Affekt", in: Gustav Metzger Geschichte Geschichte, Wien 2005, S. 41-86, 54/55.
9 Arbeitsplatz und Berufsbild im Wandel: Der Drahtzieher, in: Fabrik, Familie, Feierabend, Wuppertal 1978, S. 115 Ð 134, S. 121ff.
10 Der dünne Glühdraht in elektrischen Glühbirnen verlangte immer feinere und härtere Drähte, die nicht mehr handwerksmäßg herzustellen waren. Eine Maschine zum Mehrfachziehen, die in England erfunden worden ist, wird ab 1921 in den USA produziert und in alle Welt verkauft. Sie beseitigte den Berufsstand der Drahtzieher. Ebd., S. 124
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