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Während in beiden die
Materie zunächst von unten nach oben aufsteigt, setzt sich
bei Norton die Bewegung in der Vertikalen bis hin zur
Transmutation, Läuterung und Gotteserfahrung fort, während
die Energie bei Otto auf der Höhe, auf der Norton den
Menschen verortet, zur Seite, in die Horizontale abgelenkt
und damit in den Bereich profaner, materialistischer
Zweckmäßigkeit überführt wird. Eine alchimistische Transmutation oder eine uns transformierende Begegnung mit dem Numinosen findet nicht statt, statt dessen wird die aufstrebende Energie umgeleitet in streng geregelte kinetische Prozesse, die sich fast immer im Kontext der Produktion materieller Güter abspielen oder der optimierten Fortbewegung in der Horizontalen dienen. So wird der Otto-Motor zu einer sowohl symbolischen als auch konkreten Emanation eines der größten Paradigmenwechsel der Menschheitsgeschichte, dessen Anfänge zwar bis in die Morgendämmerung der Zivilisation zurück verfolgt werden können, der aber erst im 20. Jahrhundert zu einer beispiellosen Umformung von Welt und Wirklichkeit geführt hat. Vor diesem Hintergrund öffnet das Thema der Automobilität, sowohl konkret und auch als Metapher, ein schier unbegrenztes Forschungsfeld, um die Bedingtheiten unserer postindustriellen Realität auszuloten: Der Blick wird nicht nur gelenkt auf die Auswirkungen von Geschwindigkeit und Stillstand, es stellt sich die Frage nach der Zeit und dem Raum an sich, nach unserer Wahrnehmung im Zusammenhang äußerer und innerer Bewegung, nach Regelungsprozessen und Hierarchien, nach unseren Zielen, nach Richtungswechsel, nach Sinn und Sinnlichkeit - und schließlich sogar nach der Seele, die das Jahresthema 2021 im EINSTELLUNGSRAUM ist. |
Die Kunst wird
dadurch herausgefordert, zu zeitgenössischen und
überzeitlich essentiellen Themen Stellung zu beziehen
und damit ihre eigene Relevanz zu überprüfen. Vor
allem aber wird den verschiedenen künstlerischen
Positionen ermöglicht, im Rahmen der unterschiedlichen
Jahresthemen in einen Diskurs einzutreten, in einen
herrschaftsfreien Dialog, in dem jede einzelne
Position im Mittelpunkt und zugleich neben den anderen
steht und jeweils einen von vielen möglichen
vertikalen Wegen zur Begegnung mit der Welt und sich
selbst darstellt.
© Thomas Piesbergen / VG Wort, Juli 2021 Literaturauswahl: • Thomas Piesbergen "Der kontextuelle Raum im vorderasiatischen Neolithikum", Oxford, 2007 • Marie E.P. König "Am Anfang der Kultur", Berlin, 1973 • N. David, C. Kramer "Ethoarchaeology in Action", Cambridge, 2001 • Joseph Campbell "Die Mitte ist überall", München, 1992 • Elke Suhr, Andreas Bromba (Hg.) "Aufbruch: Kunst + Spiritualität", Oberhausen, 2019 • Massimo Pallotino "Die Etrusker und Europa", Mailand, 1992 • S. Golowin "Die großen Mythen der Menscheit", München, 2002 Dr. Thomas J. Piesbergen studierte Vor- und Frühgeschichte, Ethnologie und Vorderasiatische Archäologie an der Universität Hamburg und der FU Berlin. Promotion 2006 über die kulturelle Signifikanz des architektonischen Raums. Seit 2007 arbeitet er als freier Autor, Dozent für literarisches Schreiben und Kunstvermittler. Seit 2017 ist er Dozent für Theorie und Grundlagen an der BTK / University of Applied Science Europe in Hamburg. Thomas Piesbergen wird vertreten durch die Literarische Agentur Kossack |
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