DEM ANSCHEIN NACH

Kurztext zur Ausstellungseröffnung von NAHO KAWABE
am 23. 09. 2004
Redetext:Sigrid Puntigam

Liebe Gäste!

Ich freue mich, Sie zur Ausstellung DEM ANSCHEIN NACH der japanischen Künstlerin NAHO KAWABE im Rahmen des Viertaktmotorprojektes begrüßen zu dürfen. Naho Kawabe bringt den Kontext eines fremden Kulturkreises, ein weiteres künstlerisches Medium - die Videokunst -  und einen bisher noch nicht behandelten Aspekt zum Jahresthema Viertaktmotor ein.  Dem Anschein nach sehen wir auf der Einladungskarte wie bei einer Satellitenaufnahme aus dem All durch Wolkenfetzen der Atmosphäre auf die Erdoberfläche, auf der wie nach einer Atomexplosion oder einer sonstigen Zerstörung die letzten Reste zerfallen.  Dem Anschein nach- ist es aber wirklich so oder sitzen wir einem Trugbild auf ? Die Künstlerin will den Betrachter mit den trügerisch manipulierten Bildern der Medienwirklichkeit, in welchen  das Künstliche als wahr erscheint, Authentizität und Fiktion verschwimmen, konfrontieren.  Virtuelle Welten gehören längst zu unserem Alltag und sind mittlerweile für die meisten der Alltag, Bilderfluten überrollen uns.

Es verwundert daher kaum, dass eine junge Künstlerin die Videokamera als künstlerisches Werkzeug wählt, mit dieser wie mit einem Pinsel malt und im Videofilm ihr kongeniales Ausdrucksmittel findet.  Zumal wenn sie aus Japan stammt, dem Land, das wie kaum ein anderes in der Spannung zwischen Tradition und Moderne lebt und in dem Sony 1965 mit der Einführung der tragbaren Videokamera (Portapak) letztendlich den unaufhaltsamen Siegeszug der Videokunst einleitete.
NAHO KAWABE stellt in dieser Ausstellung drei Arbeiten vor.  Die erste trägt den Titel: ..Ame no hi ha / an einem Regentag" - ("Ame no hi ha / an einem Regentag" Videoinstallation, 2004, Farbe, 28 Min., ohne Ton).
In einem Raum sind drei Monitore aufgestellt.  Sie zeigen jeweils den gleichen Film, indes in der Geschwindigkeit, in der Vergrößerung und im Blickwinkel (Spiegelverkehrung) variierend. 

Wir sehen ein faszinierendes, poetisches Spiel mit den drei Elementen – Öl, Wasser und Luft.
 In ein mit Öl gefülltes und mit Pflanzen und Sand bestücktes Aquarium fallen Wassertropfen, die aufgrund ihrer physikalischen Beschaffenheit und Eigenschaften sich als silbern glitzernde schwere Kugeln abkapseln und zu Boden sinken.  Durch deren verlangsamte Bewegung in der zäh trüben Flüssigkeit entsteht eine kontemplative Stimmung.Die Kugeln sammeln sich wie ein Schatz geheimnisvoll am Grund.  Ab und zu blitzen helle Luftblasen wie kleine Glanzlichter auf. Mit zunehmender Kugelanzahl am Boden wandelt sich die Szenerie.  Die Kugeln verschmelzen zu einer homogenen Wassermasse und verdrängen das Öl nach oben.  Die helle, klare, leichte Wasserwelt ist an die Stelle des zäh trüben Elementes getreten.  Das Wasser steigt, es wird aber nicht zur Bedrohung, sondern eine künstliche Pflanzenwelt blüht in dem lichtdurchfluteten Wasser auf.  Im Spiel der Elemente beleben nun kleine hinzukommende Luftblasen den Prozess.  Das Element der Luft wird sichtbar gemacht und zieht die Aufmerksam- keit auf sich.  Eine untrennbare Beziehung zum Betrachter wird aufgebaut.  Poetische, innere Bilder entstehen, Bilder vergehen, ein ständiger Fluss, ein Prozess, nichts ist beständig, eine Zeitkomposition wird gleichsam vor Augen geführt.

Die zweite Arbeit ist mit Harmonica betitelt. – (Harmonica- Videofilm, 2003, Farbe, 3 Min., mit Ton unterlegt)
Wir sehen unter Wasser das Gesicht der Künstlerin.  Sie versucht eine Mundharmonika zu spielen.  Verschiedene ferne, metallische, blubbernde Geräusche sind zu hören.  Luftblasen steigen auf.  Scheinbar eine paradoxe Situation, denn unter Wasser kann man nicht atmen, geschweige denn musizieren.  Aber genau das Unmögliche, das Einatmen und Ausatmen wird durch die aufsteigenden Luftblasen als Ansaugen und Ausstoßen sichtbar und hörbar.  Etwas Unmögliches wird als möglich dargestellt und zur Erscheinung gebracht.
Ein elektronisches Künstlerselbstbildnis und gleichzeitig ein klassisches Vanitas-Motiv entstehen, werden evoziert.  Das Wasser wirkt vor diesem Bild einerseits wie eine Trennscheibe, andererseits wie ein Spiegel oder deutet wie bei Alice auf die andere Welt hinter dem Spiegel und gleichzeitig fungiert es als Bildträger wie ein Monitor.


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