Für Mathieu Turken, Einstellungsraum 13.4.06, von Nora Sdun

In Computerspielen, in denen es vorrangig um das Halten und Heben von Waffen geht, haben zweiarmige Geschöpfe in jeder Hand eine Waffe, aus denen sie gleichzeitig feuern können, meist in dieselbe Richtung.

In TV und Kinofilmen, die mit einem Zug zur Wirklichkeit liebäugeln, haben Waffenträger zwei Arme, aber nur eine Waffe, die dann aber mit beiden Händen gehalten wird.

Ich fragte einen Polizisten, wie es mit dieser TV - Wirklichkeit im Alltag eines waffentragenden Freund und Helfers bestellt sei, und erhielt die bestimmte Auskunft,   dass es sich bei dem, in Filmen gezeigten, beidhändigen Verfahren um Fiktion handele. Echte Polizisten schießen mit einer Hand, so wie Lucky Luke.

Wie kommt es nun zu so einer Konvention der Zweihändigkeit bei Kultur-produkten?

Vermutlich hat ein Ritualtransfer stattgefunden, aus der religiös kultischen Sphäre, in eine nicht weniger magische, in die Sphäre der technischen Macht. Die Magie, die wirkt, ist in beiden Fällen die gleiche.

Kein Priester wird das Allerheiligste locker mit einer Hand hochstrecken und der Gemeinde präsentieren, obwohl das ohne weiteres möglich ist. Macht zeigt man am besten durch die Illusion von Gewicht, also trägt man beidhändig, als wöge die Hostie schwer, so schwer wie das Kind, welches von Christopherus über den Fluss getragen wird. Außerdem kann man sicher behaupten, Religiosität ist Liebe zur Symmetrie - auf dass alles wohl geordnet sei, nach Maß, Zahl und Gewicht. Wenn die Filmpolizisten symmetrisch die Hände falten zum Schuss, sind sie in liturgischer Mission unterwegs. Auch die animierten Kämpfer mit Waffen in jeder Hand folgen ganz den symmetrischen Vorstellungen des Segens, der mit beiden ausgestreckten Armen erteilt wird. Gestengeschichtlich sind solche Spielfiguren also überhaupt nichts Neues.

Mathieu Turken hat hier sein Modell de_Synthese aufgebaut und, - blickt man auf die Leinwand -, ist die Anmutung die eines Computerspiels. Turken lässt aber keine Protagonisten erscheinen. Man sieht auch nicht das äußerste Ende eines Gewehrlaufs, kann sich also nicht in die Rolle eines waffenstarrenden Avatars versetzen. Es lässt sich aber leicht kombinieren, dass eine Kamera die Bilder auf die Leinwand bringt und diese Kamera auf einem Wagen, oder jedenfalls einem beweglichen Untersatz angebracht ist, den man aus diesem Sessel steuern kann. Hier steuert man, wie es sich für die phantastische Sphäre der technischen Macht gehört, auch mit zwei Händen - rechts für die rechte Antriebskette, links für die linke Kette. Soweit zur grundsätzlichen Anordnung dieser Arbeit.

Es gibt schachspielende Automaten, lernende Maschinen und andere Betrugs- und Spielmaschinen, es gibt vor allem Maschinen, die von Menschen gelenkt werden. So eine Maschine hat Mathieu Turken gebaut, eine Maschine also, die nicht funktioniert, wenn keiner mitspielt. Die allerdings auch nicht funktioniert, wenn zu viele Leute in der Nähe mit anderen Maschinen spielen. Beim Einschalten des Funks, hat man z.B. erstmal die Überwachungskamera des Brautmodengeschäfts nebenan auf der Leinwand, die Kamera auf Turkens Maschine kann sich offenbar nicht so richtig gegen die uralten magischen Rituale der Vermählung durchsetzen. Außerdem fährt der Wagen auf Grund des elektromagnetischen Smogs einer Großstadt auch einfach mal los, wenn gar niemand im Steuersessel sitzt. Dies sind Dysfunktionen, welche die Aussage dieses Aufbaus allerdings nicht schmälern. (Man sollte vielleicht gleich einmal versuchen, ob sich der Wagen auch mit klingelnden Mobiltelefonen lenken lässt.)

Interessant an de_Synthese ist nicht das Spiel und das Lenken selbst, denn es gibt weder ein Ziel noch eine Aufgabe in diesem Labyrinth, sondern die Idee von der Macht des Lenkens. Die Bilder, die man so lenkend produziert befriedigen den Lenker bis in die Spitzen seiner Lenkhände hinein, und er fühlt sich so wirklich als höherer, gottgleicher Lenker.
Allerdings nur solange man die Augen immer schön auf die Leinwand gerichtet hält, der Wagen sich nicht festfährt und 

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