seit
Jahrhunderten bekanntlich ein zentrales Motiv in der
chinesischen Malerei. Die Rauminstallation der
Künstlerin führt die Betrachterinnen und Betrachter
auf eine Erlebnis-Reise, die auf vielen
verschlungenen Wegen parallel verläuft.
Direkt auf der Wand breitete sich Camouflage (2002) in der Hamburger artagents gallery aus. Hier hatte Sabine Mohr im Rahmen eines mehrteiligen Gruppenprojekts mit den Künstlerinnen Juro Grau (Berlin) und Sylvie Réno (Marseille) das bereits erwähnte Muster auf einer russischen Zigarettenschachtel in eine malerische, an Matisse-Werke erinnernde Raumtapete übertragen. Schon damals arbeitete sie mit dem Mittel des Scherenschnitts, das auch in ihrer gleichzeitig in der Galerie präsentierten Serie von Spielkarten-Damen zur Anwendung kam. Das nicht sofort erkennbare, himmelblaue Material, aus dem die Arbeit Camouflage produziert war und in dessen amorphen Ausschnitten die dahinterliegende weiße Galeriewand hervorschien, bestand aus Plastikmüllsäcken, welche die Künstlerin als Bahnen präzise an die Wand tapeziert hatte. Unabhängig
davon,
dass Plastik per se, wie Roland
Barthes
in seinen berühmten "Mythen des Alltags" (1964)
griffig formulierte, "wesentlich eine alchimistische
Substanz"(2) darstellt, geht im künstlerischen
Verwandlungsprozess die Alchemie noch einige
Schritte weiter: Sabine Mohrs Umdeutung eines
profanen Zigarettenschachteldesigns und eines nicht
minder profanen Materials durch künstlerische
Aneignung und Transformation, veredelt nicht nur das
Banal-Alltägliche, sondern verleiht diesem eine ganz
und gar neue ästhetische Gestalt. Darin wird die
Kluft zwischen Matisse und Müllsäcken - "high" und
"low" - spielerisch leicht überwunden, wird die
geheime Schönheit
des "Banalen" entdeckt. Oder, um mit Paul Virilios
Fazit
über Magrittes Ansatz zu sprechen:
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"Betrachten,
was man nicht betrachten würde, hören, was man nicht
hören würde, auf das Banale achten, auf das
Gewöhnliche, auf das Infra-Gewöhnliche. Die ideale
Hierarchie zwischen dem, was entscheidend, und dem,
was anekdotisch ist, bestreiten, weil es
Anekdotisches nicht gibt, es gibt nur herrschende
Kulturen, die uns aus uns selbst und den anderen
exilieren..."(3)
Das
Ent-decken, im Sinne sowohl eines Offenlegens
verborgener oder nicht erkannter Seiten eines
Gegenstands als auch im Sinne eines Findens und
Erkundens mit Blick auf unerforschtes Terrain - und
die gezielte Betrachtung und Beachtung dessen, was
sonst nicht unbedingt beachtet wird oder als "banal"
durch die üblichen Raster der Aufmerksamkeit
rutscht, ist ein durchgängiges erkenntnisleitendes
Prinzip der Künstlerin. Fast buchstäblich ist sie
diesem Prinzip in besagter Serie nachgegangen, in
der sie ihr Augenmerk zugleich auf die beredten
Vorderseitenillustrationen und auf die meist
ignorierten, blattverdeckenden Rückseiten von
Spielkarten, in diesem Fall den vier Damen, richtet.
Der besondere Reiz des Kartenspiels besteht für
Sabine Mohr darin, dass es sich um ein Alltagsgut
mit verborgenen ästhetischen Schichten handelt,
welche sie durch ihre transformativen,
alchemistischen Methoden freilegt. In ihren zu
Wandbildern vergrößerten Spielkarten, teils als
filigrane Scherenschnitte realisiert, teils mittels
(Scherenschnitt-)Schablonen aufgesprüht,
unterstreicht sie die Dialektik oder Dualität,
welche im Gegenstand auf mehrfache Weise enthalten
ist. Die Betrachterinnen und Betrachter werden für
die rätselhaften, dichotomischen Aspekte des
Kartenspiels sensibilisiert: die Spiegelung der
Figuren auf der Vorderseite der Karten, die
Interdependenz von "positiv" und "negativ", "Tag-"
und "Nachtseite", "Matrix" und "Abdruck".
Der Anmut der Damen stehen die Arabesken auf der Rückseite der Karten mit ihren stilisierten Ranken, Blättern und andere |
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