Katina Rank / Daniel Wrede_24h overnight
2.2.2022 EINSTELLUNGSRAUM e.V. Hamburg
Einführung: Lucas Stübbe


Autonom? Dieses zur Frage umfunktionierte Wort prägt die Ausstellungen des Jahres 2022 im EINSTELLUNGSRAUM. Ab heute sind die zugehörigen Werke von 24h Overnight: die Videoinstallation Die kleine A4 von Katina Rank, sowie vorbeiziehen 01 und vorbeiziehen 02, zwei kinetische Objekte von Daniel Wrede, zu sehen. Autonom. Wie ist das zu verstehen?

Zunächst einmal ist die Kunst autonom. Zumindest sind es die Menschen, die sie erschaffen. Schon Joseph Beuys Performance Manresa im Jahr 1966 zeigte, dass kreative Prozesse ein autonomes Verhalten der Beteiligten voraus-setzen. Damals fragte Beuys in der Düsseldorfer Galerie Schmela vor einem Kreuz aus Filz, dem Element 1, und einer Holzkiste mit allerlei elektrischen Ge-räten, Element 2, immer wieder nach Element 3, das nicht zu sehen, sondern nur im Moment der Performance zu erfahren war.
Doch nicht nur die Kunst ist autonom. Auch der Mobilität auf den Straßen kann dies zugeschrieben und der Verkehr somit als eine Vielzahl autonomer Subjek-te im öffentlichen Raum verstanden werden.

Doch was, wenn auch die Objekte selbst eine Autonomie erlangen? Was, wenn die Kunstwerke und auch die Transportmittel völlig autonom sind? Geben wir damit ein Stück unserer eigenen Autonomie aus der Hand? Treffen Kunst und Fahrzeug ohne uns andere Entscheidungen? Und wie können diese Auto-nomien aussehen?
Um wichtige Entscheidungen treffen zu können, hilft es, eine ausreichende Menge an Informationen zu haben. Wir als Menschen können dafür oft auf unsere Erfahrung zurückgreifen. Aber welche Erfahrung hat ein Auto, das soeben die Fabrik verlassen hat? Oder ein Kunstwerk, das gerade erst fertig geworden ist?
Für das Auto gibt die Wissenschaft eine klare Antwort: künstlichen Intelligenz. Die Maschinen, die unsere Autos zum selbständigen, zum autonomen Fahren bringen sollen, sind nicht länger mechanische Konstruktionen wie ein Ottomotor, sie lernen, indem wir sie mit Programmen,  Sensoren und möglichst allen verfügbaren Informationen versorgen. Dieses Zusammentragen aller verfügbaren Informationen ist beim menschlichen Vorbild allerdings begrenzt. Verkehrsschild, Ampel, Beifahrer, Gegenverkehr, und dann noch die eigenen Gedanken, wer behält da die Straße im Blick?
Für die künstliche Intelligenz hingegen soll genau das möglich sein – alle Informationen gleichzeitig verarbeiten zu können. Diesen Gedanken fasste der Mathematiker Pierre-Simon LaPlace bereits 1814 zusammen. Damals kommt er zu dem Schluss, dass eine Maschine, die Zugriff auf jede Information hat, dadurch in die Zukunft blicken kann. Denn steht jedwede Information in Echtzeit zur Verfügung, dann kann daraus, so LaPlace, auch jede Handlung der Zukunft abgelesen werden.

Heute ist diese Denkfigur als LaPlace’scher Dämon bekannt und fast wir alle haben einen solchen Laplace’schen Dämon schon seit längerer Zeit im Miniaturformat dabei, wenn wir uns im Straßenverkehr bewegen – ein Navigationsgerät. Zum Finden der besten, schnellsten oder zuverlässigsten Route verlassen wir uns schon seit geraumer Zeit auf diese Art Prothese des Individualverkehrs - eine Verlängerung der eigenen Denkleistung in die Zukunft
Der 01. Beitrag zum Jahresprogramm Autonom? des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2022
Präsentation
Vernissage
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