Marktwert von Menschen gekoppelt war, anstatt auf der Basis einer gemein-sam anerkannten Interdependenz.
 
Deutlich sieht man die Entfremdung zwischen dem Menschen und seinen Lebensgrundlagen (Gemeinschaft, Nahrung, Fortbewegung, usw.) am Aufkommen sich selbst steuernder Autos. Die Distanz zwischen den vom Menschen zurückgelegten Weg und seiner Anstrengung hatte sich seit der Industrialisierung beständig vergrößert. Pferdekutschen, von lebendigen Wesen getrieben, wurden durch Automobile ersetzt, die immer komplizierter wurden und kaum noch vom Besitzer selbst repariert werden konnten, bis als logische Konsequenz sich selbst steuernde Autos folgten, die zu einer totalen Entkoppelung zwischen dem Menschen und seiner Fortbewegung führten. Ähnliche Mechanismen sind auch in anderen Lebensbereichen zu beobachten.

Wie auch im Mittelalter begann das Ende des globalen Kapitalismus mit einer Pandemie. Die vom Corona Virus ausgelöste Covid-19 Pandemie schwächte das Wirtschaftssystem in den 2020er Jahren zunehmend, sodass immer verzweifeltere Maßnahmen ergriffen werden mussten, um die Wirtschaft zu stabilisieren, was zu einem Ausreizen natürlicher Ressourcen führte. Dadurch kam es zu einer weiteren Eskalation der Klimakrise und eine Abwärtsspirale der Weltgesellschaft in immer größere Armut und Not, die schließlich zu einem Zusammenbruch der Wirtschaft und der Nationalstaaten führten. Genau wie im Mittelalter finden sich auch in der spätkapitalistischen Ära kritische Stimmen am gängigen System. Anders als Galilei wurden diese von den Eliten nicht verurteilt, sondern gingen vielmehr in einer Kakophonie an Informationen unter. Auch die Fähigkeit des Kapitalismus, sich kritische Stimmen einzuverleiben und zu eigen zu machen, war ein wichtiger Mechanismus, um mit dieser Kritik umzugehen, der sich am Beispiel des Greenwashings zeigt, bei dem große, umweltfeindlich handelnde Organisationen ihre Produkte unter dem Vorwand des Umweltschutzes verkauften.
Implikationen für die Gegenwart
Wieder und wieder zeigt sich der Zerfall von Großmächten, sei es das römische Reich, das Mittelalter oder der Kapitalismus. Mögen diese Großmächte in ihrer Blütezeit bis in ihren Zerfall hinein noch so absolut scheinen, das alternative Gesellschaftsformen undenkbar erscheinen, zeigt ein Blick in die Vergangenheit doch ihre Vergänglichkeit. Während durch die Klimakrise große Teile der Weltbevölkerung an extremen Wetterereignissen, Hungersnöten und Pandemien verstorben sind, ermöglichte das Ende der kapitalistischen Wachstumslogik eine Rückkehr zu einem gemeinschaftlichen Zusammenleben im Einklang mit der Natur. Wie die europäische Renaissance das Mittelalter brauchte, um sich zu entwickeln, um antike Wissenschaften und Künste wiederzuentdecken, brauchte unsere Gegenwart den Spätkapi-talismus, um in der Postwachstumsgesellschaft anzukommen. Wir mussten die Verbundenheit mit anderen erst verlernen, mussten erst zu Waren werden, um uns gegenseitig wieder als Menschen sehen zu können, deren Schicksale untrennbar miteinander verbunden sind. Wir mussten uns erst von der Natur entfremden, um im Einklang mit ihr leben zu können. Dabei sind indigene Wissenssammlungen, die lange durch koloniale Strukturen unterdrückt wurden, eine zentrale Stütze unserer Gesellschaft, die eine Vielzahl an neuer Forschung mit und über andere Formen der Intelligenz auf unserem Planeten ermöglichten. Schon lange ist bekannt, dass Tiere und Pflanzen miteinander kommunizieren und ihre eigenen Formen von Intelligenz besitzen. Leben im Einklang der Natur bedeutet in diesem Sinne eine Berücksichtigung dieser alternativen Formen der Organisation, einer Berücksichtigung anderer Wahrheiten, die wir nur zu einem Bruchteil verstehen können und auch nicht verstehen müssen, um sie zu respektieren, ebenso wie das Leben in der Renaissance bedeutete andere Formen der Wissensorganisation als die katholische Kirche in den Alltag zu integrieren. Wenn uns Galilei, wenn uns der Spätkapitalismus eines gelehrt hat, dann ist es dies: Das Kreisen um eine Wahrheit, die für absolut gehalten wird, führt unweigerlich zu einem Zusammenbruch eben der Systeme, die verzweifelt zu erhalten versucht werden.
Der 05. Beitrag zum Jahresprogramm Autonom? des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2022
Präsentation
Vernissage
back
home
Gefördert von der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek