Noch hundert Jahre vorher überragte nur ein Kirchturm die Ortschaften und zeigte an, was die Stunde geschlagen hat, bzw. lud sonntags zum Kirchgang ein, zum memento mori, der Mahnung an die Vergänglichkeit allen Seins.

Mit zunehmend motorisiertem Straßenverkehr wurde es zur Regel, dass die Summe der Verkehrstoten gelistet und die Statistik gelegentlich bekanntgegeben wird. Sind es alles Ausnahmesüchtige, Regelverletzter, Spielverderber, die zu Täter oder Opfer werden? Unkundige vielleicht, die die Regeln nicht kennen, aus Versehen nicht beachteten? Waren sie zu langsam? Sind die Regeln zu starr und entsprechen insofern nicht der aktuellen Mikrostruktur einzelner Bewegungsvorgänge?

Wie verhält es sich heute mit der Möglichkeit, soziale oder normative Regeln aufzustellen in Bereichen, die stark, aber versteckt von Einzelinteressen geprägt, insofern vergleichsweise viel undurchschaubarer sind, wie z.B. unterschiedliche politische und ökonomische Strategien, Datenströme, Informationsfluten?

Felix Stalder, Professor für digitale Kultur an der Züricher Hochschule der Künste, machte im KUNSTFORUM 251, S. 316f. darauf aufmerksam, dass es gegenwärtig durch die digitale Transformation zu strukturellen Veränderungen komme, wie Menschen sich in der Welt orientieren.
Um [den] Bezugsrahmen wird heute heftiger denn je gerungen, weil jeder Bezugsrahmen immer selektiv ist (und sein muss). Aber wer kann heute diese Selektion betreiben? (...) Die Veränderungen wurden nicht durch die Technologien ausgelöst, sondern (...) sind selbst Teil dieses Wandels, den sie wiederum vorantreiben.
Es gebe sehr wohl kulturelle Alternativen, nur müsse man diese unter den neuen Bedingungen denken.
Der selektierende Bezugsrahmen, das Regelwerk, müsse nach seiner Auffassung sehr sorgfältig gesteckt werden - einerseits subjektive Narration, andererseits gemeinschaftlich validiert. Solcher Rahmen könne nicht Algorithmen überlassen werden.
Und wir fügen hinzu: Denn deren sogenannte Intelligenz ist interessengesteuert vorprogrammiert, funktioniert insofern nur automatisch nach Mustern, ist folglich in der Situation nicht korrigierbar nach Intuition oder besserer Einsicht.

Die Regel nützt nur dem, der sie entbehren kann; den aber verdirbt sie, der sich an ihr weise glaubt. Achim von Arnim 1817.

Künstler und Künstlerinnen, die sich für diesen Ansatz interessieren, senden bitte eine A4-Seite mit ihren persönlichen Kontaktdaten, einem Kurzkonzept und einer Abbildung nebst Kurzvita bis zum 17. September an info@einstellungsraum.de
Alle künstlerischen Methoden sind den Bedingungen des Raumes entsprechend möglich.


EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Im Juni 2018
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