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Wort hat mit Durcheinander und mit Tempo zu tun.
Und die Treiber? Das sind Antreiber, Agitatoren, die die Aufregungen schüren, aber auch Despoten, die ihr Volk bedrücken. So steht es schon in der Lutherbibel.
Bei Claudius, ist immer auf den Zusammenhang zu achten, in dem etwas steht, schauen wir uns also auch den Abschnitt davor an:

Lerne gerne von andern, und wo von Weisheit, Menschenglück, Licht, Freiheit, Tugend, etc. geredet wird; da höre fleißig zu. Doch traue nicht flugs und allerdings [...], denn die Wolken haben nicht alle Wasser, und es gibt mancherlei Weise. Sie meinen auch, daß sie die Sache hätten, wenn sie davon reden können und davon reden. Das ist aber nicht. Man hat darum die Sache nicht, daß man davon reden kann und davon redet. Worte sind nur Worte, und wo sie so gar leicht und behende dahinfahren; da sei auf Deiner Hut, denn die Pferde, die den Wagen mit Gütern hinter sich haben, gehen langsameren Schrittes.“
An diese Sätze schließt unser Satz an: „Erwarte nichts vom Treiben und den Treibern; und wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe fürbaß.“ Das bezieht sich auf zeitbezogene Diskurse, Kontroversen, öffentliche Auseinanderset-zungen, politische und publizistische Kämpfe. Zehn Jahre nach der Französischen Revolution gehören dazu auch die von der grossen Umwälzung im Nachbarland hervorgerufenen Turbulenzen im Kampf um die Volkssouveränität, die „neue Politik“, wie Claudius die heraufziehenden Veränderungen nennt. „Fürbaß“ ist Claudius in diesen Turbulenzen allerdings nicht gegangen, er hat sich sehr wohl eingemischt – mit Worten.
„Worte sind nur Worte“ – eine erstaunliche Aussage nicht nur von einem Publizisten, sondern auch von einem Dichter, der doch mit Worten umgeht wie ein Musiker mit Tönen. Claudius meint aber nicht, dass es sinnlos sei, überhaupt von Weisheit, Menschenglück, Licht, Freiheit, Tugend, etc. zu

reden. (Sie erkennen die Schlagworte der Aufklärung, der „Neuen Politik“.) Claudius wendet sich nicht gegen das Reden über diese Begriffe.  Es kommt darauf an, wie man es tut, und vor allem: es reicht nicht, nur davon zu reden.  Es kommt auf die Umsetzung im eigenen Leben an, die Taten zählen, das Handeln.
Für den Dichter Claudius gehört zum rechten Handeln auch der richtige Umgang mit Worten.
Von Anfang an setzt er den Worten, die nur Geräusch erzeugen, einen anderen Umgang mit Sprache entgegen, sein dichterisches Wort.  Es ist indirekt und bildhaft, einfach und lakonisch, es preist das Schweigen, die Stille:

Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold.
Als eine stille Kammer,
da ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.

Als Dichter, nicht so sehr als politisch oder philosophisch-theologisch argumentierender Publizist, praktiziert Claudius einen höchst lakonischen  Stil, nah am Schweigen. Er ist Sprachskeptiker und deshalb schreibt er oft verhüllend, kurz und knapp, deutet nur an und überlässt dem Leser das Mitdenken und Mitfühlen, ohne ihn zu bevormunden. Er gibt ihm etwas raten und beteiligt ihn auf diese Weise. In jungen Jahren hat Claudius das in seiner Dichtung geradezu zum Programm gemacht.
Beispielsweise in seinem Gedicht „Ein Fragment, das nach der Stoa schmeckt
", das den Lesern eine Lehre vermitteln will: Es geht auch hier um die angemessene Einstellung, diesmal nicht in ideologischen Streitfragen,   sondern gegenüber den Glücksversprechen der Welt.
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek 
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