Mit der Verwendung von digitalen Bildarchiven zeigte sich Haffners zunehmendes Interesse für das Phänomen der mediatisierten Wahr- nehmung, und die Frage wie durch die Digitalisierung die Konstruktion von Wirklichkeit verändert wurde.
Ich argumentiere nun, dass Haffner, mit den neuen Arbeiten die wir in dieser Ausstellung sehen, eine weitere Phase in seinem Schaffen betre- ten hat, in der er sich von den vorigen Versuchsserien fortbewegt und wo die Arbeiten plötzlich etwas Neues aufzeigen.

Phase 3
In dem erst kuerzlich erschienenen Buch On the Verge of Photography – Imaging beyond representation1, stoßen die Autoren Daniel Rubinstein et al., neue Überlegungen an über die Natur des (fotografischen) digitalen Bildes.
Kernaussage ihrer Argumentation ist dass nicht nur die Rolle der Repräsentation in der
digitalen fotografischen Form obsolet geworden ist, sondern auch seine Funktion als dokumentierendes Medium. Das digitale image, welches zunehmend unsere alltägliche Wahrnehmung beherrscht durch das Internet und neue Technologien, hat sich nach der Meinung der Autoren von der traditionellen Fotografie emanzipiert und repräsentiert eine neue strukturelle Wirklichkeit. Die drei Schlagwörter die nach Rubin- stein diese neue Natur des images beschreiben sind:

Instantaneity, simultaneity and multiplicity, also Augenblicklichkeit oder Sofortigkeit, Gleichzeitigkeit und Vielseitigkeit. Diese Eigenschaften sind zentral da sie sowohl die Struktur der neuen digitalen Realität als auch die Natur des neuen images beschreiben. Weg vom klassischen archivierenden und an ein Objekt gebundenes darstellendes Medium, hin zu der neuen Rolle des networked image. Diese Bilder die wir im Internet finden erscheinen unmittelbar und oft ohne chronologischen
 Bezug, sie werden geteilt, in unzähligen Kopien weitergegeben und gepostet, verfremdet und in verschiedene neue Kontexte gestellt. Manche verschwinden, manche werden kombiniert und manche werden von Künstlern aufgegriffen als Material für deren neueste Serie von Zeichnungen.

Mit dem direkten Zugriff auf Bildarchive haben wir heutzutage die Möglichkeit, fremde Orte zu sehen in der Form von Satellitenaufnahmen, Google streetview, professionellen Photographien und snapshots von Mobiltelefonen. Diese Bildarchive geben uns die Illusion zu wissen, wie ein entfernter Ort, den wir nie besucht haben, aussieht. Tatsächlich aber sehen wir nur Bruchteile aus einer kollektiven Ansammlung von Perspektiven.
Was Haffner uns in seiner Airport Serie vorstellt, bewusst oder unbewusst, sind analoge Übersetzungen von der Flut an fragmen-tarischem digitalem Bildmaterial. Die Airports versinnbildlichen für mich eine Repräsentation von genau den neuen Qualitäten des digitalen images, wie beschrieben bei Rubinstein, also der Sofortigkeit, Gleichzeitigkeit und Vielseitigkeit.

Haffner zeichnet nicht mehr ‚blind’ sondern komponiert die Zeichnungen, es ist ein mapping, ein kartographieren von realen Orten, hier Flughäfen, die er mithilfe der ihm zur Verfügung stehenden Information zusam-mensetzt. Dabei zeigt er die Prozesse auf, die mit der Verarbeitung der Bilderflut im Gehirn des Künstlers stattfinden, während er versucht, Sinn aus all den verschiedenen Informationsbruchstücken zu machen. Die Airports sind demnach Visualisierungen die den kognitiven Prozess darstellen durch die Übersetzung digitaler Information in ein analoges Schema. Die Fülle der Information wird außerdem aufgezeigt in Form von Akkumulation von Perspektiven auf dem Papier.

1 Rubinstein, D., Golding, J. and Fisher, A. (eds): On the Verge of Photography: Imaging beyond representation, ARTicle Press, Birmingham City University, 2013.

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