Das führt uns über den angedeuteten Umweg durch die Dunkelkammer zu den ausgestellten Ergebnissen, die, im Vergleich zu dem kruden, funktionellen Versuchsaufbau mit seiner Konnotation der automatisierten und seelenlosen Gewalttätigkeit, auf den ersten Blick überraschend ästhetisch, ja sogar zart wirken.

Doch sobald man beginnt, aus den filigranen Brokatschleiern in sanft abgestuften Grautönen die Entstehungsgeschichte der Muster herauszulesen, ändert sich das Bild: wir rekonstruieren den massiven Zusammenstoß der Luftmassen, der die Oberfläche des Wassers aufgerissen und in Bewegung versetzt hat, der Strömungswirbel und Wellen ausgelöst hat, die sich nun aneinander vorbeidrängen müssen.


Bemerkenswert ist vor allem das Zentrum der Turbulenzen: Es ist, wie das unberührte Wasser am Rande des Ereignisses, gleichmäßig grau, doch ist es kein lichtes, stilles und transparentes Grau, sondern es wirkt opak, verwüstet, ausgelöscht, ein Ground Zero.

Um dieses unmittelbare Zentrum liegt eine Zone chaotischer Verwirbelung und Durchdringung, in der man beobachten kann, wie die einander entgegengesetzten Kräfte aufeinander einwirken. Verfolgt man die Bewegung vom Zentrum des Kataklysmus weiter nach außen, wird man Zeuge des erstaunlichen Prozesses der synergetischen Selbstorganisation der Natur: aus den chaotischen Interferenzen bilden sich schließlich große, makellose Wellenringe, die sich später über die ganze Wasserfläche ausbreiten werden.
 
Die Photogramme dokumentieren also den Weg aus dem formlosen Chaos der Vernichtung über die erneute Selbstorganisation bis zur harmonischen Neuordnung, in der die reglose, transparente Stille bereits wieder antizipiert ist.
Damit wird die Narration, die aus den installativen Elementen der Ausstellung herausgelesen werden kann, in ganzem Umfang in den Photogrammen gespiegelt, die am Ende des Prozesses stehen.

(Am Rande, um die diese hier entworfene Chronologie zu untermauern, sei noch angefügt, daß ein Bild im Erdgeschoss bei der Apparatur einen Entwicklungsschritt dokumentiert, der diesem Werkkomplex vorausgegangen ist, während mit den Ergebnissen im Keller bereits Bilder eines neuen Werkkomplexes ausgestellt werden, der sich noch im Entwicklungsprozess befindet. Der Zeitstrahl wird also auf der Prozessebene über den Werkkomplex hinaus in beide Richtungen verlängert.)

Doch welche Bedeutung können wir schließlich aus der hier geschilderten Narration herauslesen? Wir sehen bereits in den Anfangsbedingungen eine Spannung. Die in dem Ausgangszustand gespeicherte Energie ergibt sich aus dem Ungleichgewicht der Druckverhältnisse zwischen der umgebenden Atmosphäre und dem Presslufttank, das einer Entlastung, einem Ausgleich entgegenstrebt.
Und schließlich sehen wir, wie die nach Ausgleich strebenden Kräfte, nachdem sie in einem erzwungenen, unausweichlichen und formvernichtenden Kataklysmus aufeinander geprallt sind, sich selbst reorganisieren und wieder zu einer geschlossenen, harmonischen Form finden.

So erlaubt es die Narration, aus ihr eine Hoffnung herauszulesen, dass die Kräfte, die von einer Anordnung, die einem rein utilitaristischen Kontext entstammt, bzw. ihn repräsentiert, und die von diesem Mechanismus zu einer zerstörerischen Konfrontation gezwungen wurden, wieder zu einem Equilibrium finden werden, und dass es vielleicht auch dem Mensch, eingezwängt in eine ökonomisch-utilitaristische gesellschaftliche Wirklichkeit, die die Ursache nahezu aller anthropogenen Gewalt und Zerstörung ist, dennoch wieder gelingt, zu einem Zustand zu finden, in dem er in einem harmonischen Einklang mit der ihn umgebenden Welt und sich selbst leben kann.


ⓒ by Thomas Piesbergen / VG Wort, März 2018

Präsentation
Vernissage
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