einfach mal raus

Heike Breitenfeld 21.06.- 13.07.07
Text Nora Sdun

»Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen, sofern die Winde wehn, wär das nicht wunderschön, ... und dann beim Abendrot mach ich das Abendbrot« und so weiter und so fort. Es ist nicht auszuhalten. Wir stehen unter einem unauffälligen aber nicht zu leugnenden Zwang.
Es ist der Schein, der uns verleitet, das zu wollen, was wir sollen, könnte man aus tourismuskritischer, oder noch genereller aus systemkritischer Perspektive sagen. Kein Mensch muss ins Grüne fahren, kann man brutal sagen. Das ist eine Nachkriegsidylle, eine 50-ger Jahre Idee, von Kleinfamilie mit Wochenende, alles nur, damit man den Unterschied zum Wochentag merkt, deshalb muss man hinausfahren – einfach mal raus eben, und diese Formulierung verrät in ihrer vorgeblichen Beiläufigkeit und angeblichen Problemlsigkeit alles über die unglaubliche Mühe, die es kostet, einfach mal raus zu kommen. Es ist so ähnlich wie, einfach mal abzuschalten oder einfach mal dafür oder dagegen zu sein.

»Einfach mal« ist die entlarvende Wortkombination, denn das gibt es gar nicht, wohl aber die nicht zu stillende Sehnsucht danach. Wohl aber gibt es Lockrufe, die einem ermöglichen, doch so etwas mimetisch nachvollziehen zu wollen, Lockrufe der Werbung, die es nachzuspielen gilt, den Lockrufen, den Quiekgeräuschen der Wackelautos zwar komplett unähnlich aber doch auch Lockrufe, die ihren Zielpunkt in der selben archaische Erinnerung wissen. Es handelt sich bei den Werbefilmen um eine mit Drogenräuschen vergleichbare Situation. Es geht nicht ums Kommunizieren sondern um ein, zwar formfleischartiges, also durch die Werbung in eine etwas dümmlich unterkomplexe Form gebrachtes, aber großartiges Sich-selbst-spüren, als Held, als Steuermann, als sonst was, jedenfalls als derjenige, oder diejenige, die dafür gemacht ist, sozusagen einzig dazu da, um in solchen Landschaften Auto zu fahren. Es geht nicht um Realität, sondern um Geistesverlorenheit bei gleichzeitigem Glücksgefühl selbst.

Es geht bei den verführerisch unmerklichen Übergängen - und in diesen von Heike Breitenfeld gesampelten Filmabschitten, sind sogar die Übergänge zwischen den verschiedenen Automarken fließend -  um eine Form der hemmungslosen Selbstbestätigung, des Ungestörtseins, des Sich-selbst-gut-fühlens. Woran erinnert das?
Das Tolle ist, dass sich solche Zustände auf verschiedenen Ebenen in der Psyche eines Menschen herstellen lassen. Der Werbefilm bedient vorgeblich die Oberfläche Luxus, Jugend, Schönheit, etc. Die sanften musikalischen Übergänge genauso wie die sanften Hügelgelände, durch die die frisch gewaschenen Autos fahren, bedienen aber auch eine tiefer liegende Schicht, und mit der Fahrt ins Grüne erzeugt man also eine Art zärtlichen Hospitalismus auf Rädern. Etwas, was sich auch molumen* Kleinkindern vor Supermärkten abspüren lässt, und neidisch ist man auch auf sie  – auf deren geistesabwesenden, um nicht gleich zu sagen total bräsigen, Gesichtsausdruck beim Schaukeln. Woran erinnert einen das?

Eine frühkindliche Erinnerung quillt in einem hoch. Wurde man nicht so geschaukelt, im Kinderwagen, und dafür gibt es jetzt die Wackelautos, und später dann die richtigen Autos, die auch wackeln oder - eleganter formuliert - vibrieren. Es ist etwas wie ein Einschaukeln auf ewigen glücklichen Autismus, da wird nicht kommuniziert, ... im Gegensatz zu dem Film im Keller hier, wo nachdrücklich versucht wird, Tiere zu locken, in banger Erwartung von Enttäuschung menschenseits und Ignoranz auf Seiten der Tiere andererseits, die sich nicht von einem locken lassen wollen. Der NABU gibt fürsorglich Tipps, wie man am besten Unterstände baut und Tierstimmen imitiert, um mit diesen zu kommunizieren, aber das sind komplizierte Vorgänge – Kommunikation - meine ich jetzt, denn da will man sehen, was man hört, also das Tier sehen, ganz nah. Das ist etwas ganz anderes, als zu wollen, was man soll. Oder soll man auch sehen wollen, was man hört, sicherlich, aber das ist noch komplizierter.
Unmittelbar einleuchtend, weil selbsterhaltend, selbstgerecht und selbstbezüglich, ohne damit eine andere Person zu disqualifizieren, sondern egoistisch im positiven Sinne, also wie eine fensterlose Monade, in vollendeter Selbstüberschätzung, funktioniert das Rauschen des Fahrzeugs durch eine entrückte Umwelt. Die unin- teressant ist solange sie nicht stört und sie stört nicht, wenn sie sanft gewellt ist, sie schläfert Kleinkinder ein, und Bahnfahrer,


*molum = abgefŸllt, trunken /Begriff aus der Studentensprache            next    back