Janine Eggert setzt sich in ihren Arbeiten schon seit längerer Zeit mit diesem Spannungsfeld zwischen reiner Funktionalität und ästhetischer Bedeutung von Formen auseinander,  mit deren sozio-politischer Bedeutung sowie mit Momenten der Superposition, wenn sich also verschiedene dieser genannten Aspekte überlagern.

Die Formen anhand derer sie ihre Arbeiten entwickelt, findet sie in erster Linie in den erwähnten industriellen Kontexten. Sie nimmt sich Getriebeteile zum Vorbild oder Arme von Werkzeugautomaten.
Den meisten von uns ist die Faszination bekannt, die die Formen solcher Maschinenteile ausüben können, und nicht selten zieren sie als „ready mades“ unsere Wohnungen - genau wie es Blumen, Schneckengehäuse oder Muscheln oft tun. Doch neben der ästhetischen Faszination bleibt auch immer der entfremdete, kalte Beigeschmack der reinen, unmensch-lichen Funktion und der bereits erwähnten Repräsentation von Herrschaftsstrukturen. Denn schließlich scheint uns ein Strand oder eine Blumenwiese ein menschlicherer Ort zu sein, als eine Maschinenhalle, obwohl es sich eigentlich gerade umgekehrt verhalten sollte.


Diesem Widerspruch begegnet Janine Eggert mit der bereits erwähnten und gegenläufigen Logik des Strukturalismus und seinem Analogiedenken, nach dem die ästhetische Gestaltge- bung und Bedeutungszuweisung nicht der Funktion folgt, sondern ihrer Eignung, unsere Vorstellungen und Gedanken aufzunehmen und zu repräsentieren. Dafür unterzieht sie die Objekte einer zweiten Transformation, in der nicht Natur in Kultur, sondern funktionale Kultur in ästhetisch bedeutsame Kultur transformiert wird.

In der Ausstellung „Superposition“ sehen wir zwei Objekte, die in Tiffany-Technik ausgeführt sind, eines nach tatsächlich funktionalem Vorbild, eines nur von Maschinenteilen inspiriert. Allein die Wahl des Materials macht die Überführung in die Sphäre des Menschlich-Ästhetischen überdeutlich. Die Objekte werden dadurch der Assoziation an ihre mögliche Funktion weitgehend enthoben. Was bleibt sind reine Formen, die, aus dem funktionalen Kontext gelöst, als schön erkannt worden sind.
Durch diese betonte Visualisierung einer neuen, rein ästhetischen Bedeutungszuweisung, die durch ihre Zerbrechlichkeit und die handwerkliche Ausführung mit ihren zahllosen kleinen Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet ist, wurden sie aus ihrem entfremdeten Zusammenhang errettet und wieder zu Gegenständen, die der Sphäre des Menschen und seiner kulturellen Ordnung zugeordnet werden können.

Mit diesen beiden Arbeiten korrespondieren die Logos von Computerfirmen aus den 60er Jahren, die sich einer gegensätzlichen Methode bedienen. In ihnen wurden Bauteile früher Computer auf ihre strukturelle Idee zu Piktogrammen reduziert, die mit ihrer fremdartigen Gestaltung und Perfektion den Eindruck der Erhabenheit wecken sollen. Die Art der ästhetischen Überhöhung führt nicht zu einer Rückführung in die menschliche Sphäre, sondern zu einer verbildlichten Festigung der Herrschaftsstrukturen, die sich mit dem Übergang vom industriellen zum digitalen Zeitalter fortgesetzt haben.

Aus ihnen spricht der teleologische Optimismus des historischen Materialismus, der darauf abzielt, die Technik sei wie die Natur und die Gesellschaft schließlich doch beherrschbar und kontrollierbar. Ist diese Kontrolle einmal etabliert, liegt in dem bedrohlichen Gegenüber, gleich ob Natur oder Technik, das große Heilsversprechen. Denn so wie die Natur des neolithischen Menschen in ihrer wilden Form den Tod bringt und in der gezähmten Form Leben schenkt, so versklavt die Technik den Menschen, wenn sie nicht selbst im Sinne des Menschen beherrscht wird, um ihm den Weg in ein technisches Utopia zu ebnen.


Darauf, daß diese Vorstellung von Kontrolle nicht den Tatsachen entspricht, sondern eine reine Konstruktion ist, scheint der Einbau zu verweisen, auf dem sich die Objekte und Piktogramme befinden. Der Einbau, der ein völlig dem menschlichen Gestaltungswillen unterworfenes Umfeld vorstellt und zu gleichen Teilen von Displays aus Designerläden der 60er Jahre und der Innenraumgestaltung von Containerschiffen inspiriert worden ist, besteht aus einem Modul, das ganz im Sinne industrieller Fertigung seriell hergestellt und bis in die Unendlichkeit verlängert werden kann, wodurch es seine menschliche Dimension wiederum einbüßt.
Gleichzeitig wird der Einbau durch die Offenlegung seines Unterbaus als Konstruktion und ephemere Kulisse entlarvt, die die tatsächliche Umgebung, den faktischen Ort maskieren und unsichtbar machen soll. Die perfekte Kontrolle der Umgebung ist nur eine in hohem Maße fragile Inszenierung.

In einer Videoarbeit wird einmal mehr das höchst ambivalente Verhältnis von Mensch und Technik in gegeneinander gesetzten Bilder herausgearbeitet. Wir sehen Maschinen-elemente, Gänge in den Eingeweiden von Containerschiffen, Stills von Maschinenhallen, Filmabschnitte, in denen man eine vollbesetzte Fähre in tobendem Wasser wie eine Nußschale treiben sieht. Die Bilder hinterlassen in uns zwiespältige Gefühle.

Präsentation
Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek
back
next