|
entstehen, ohne
dass ein bewusstes Bild, Vorbild oder Ideenbild schon
benennbar wäre. Es nimmt also zuerst eine Gestalt an
und kann dann nach der darin abgebildeten Idee
untersucht werden.
Ob intentional oder automatisch, ein anderer Vorteil einer Skizze oder eines Modells ist es, dass es ein Hilfsmittel dabei ist, sich über materielle Zwänge hinwegzusetzen. Die Zeichnung wird also zum besseren Verständnis auf die 3. Dimension übertragen, d.h. verräumlicht. Diese kulturelle Technik ist nach 500 Jahren Entwicklung und Perfektionierung der perspektivi- schen Darstellung, welche die Kunst im Übergang zur Renaissance revolutionierte, fast schon eine Pflichtübung für Jeden. Heute erleben wir zudem, dass sich durch den Bau von Installationen Kunstwerke selbst in den Raum ausbreiten. Tatsächlich wird die Stufe zwischen der Zeichnung und der Installation von vielen Künstlern durch den Bau von Modellen überbrückt. Sie veranschaulichen das zu bauende Objekt und fungieren gegenüber der Installation wie eine Zeichnung, auf der die Bestandteile eines Objekts unter Verzicht auf die perspektivische Darstellung in der dritten Dimension verortet werden. Um die Modelle oder Installationen aber als Maschine zu verstehen, fehlt uns noch die 4. Dimension, die durch die Bewegung von Maschinen gegeben ist. Darin wird die vierte Dimension - die Zeit - abgebildet. Fungiert das 3-dimensionale Modell einer Maschine noch als Abbild oder „symbolische Form“ des 4-Dimensionalen, so impliziert die Installation als Maschine, also die kinetische Installation, die „symbolische Form“ der 5. Dimension. Hier widerhallt das Echo der Naturwissenschaften, mit denen sich Grypstra auseinandersetzt, die das Erfinderische für sich beansprucht. Und darin lassen sich Denkweisen finden, die auch zu den Formen führen, welche zeitgenössische Modelle des Wasserstoffatoms haben. Denn wie kommt man zu einer Darstellung des einen Elektrons in diesem Atom, das zugleich „überall und nirgends“ ist? Auch hier kommt es - ausgesprochen oder nicht - zu einem Versuch, der so etwas wie die 5. Dimension darstellt. Wenn man die Schwierigkeiten der Darstellung eines Elektrons vor |
Augen hält, dann kann
man aus der Sicht der bildenden Kunst davon ausgehen, dass
es sich um ein Gebilde jenseits von Zeit und Raum handelt,
und dass es statt mit den genannten Modellen, auf die ich
verwiesen habe, auch mit nicht-mathematischen Mitteln der
Installa- tion und ohne digitale Simulation dargestellt
werden kann. Diese Arbeit könnte zu einem Gebilde führen,
dass so aussehen kann, wie es Grypstra hier aufgebaut hat.
Nachbemerkungen: An dieser Stelle finden wir in einem dreidimensionalen Objekt einen Anhaltspunkt für die Anwesenheit der 4. Dimension, nämlich die der Zeit, die eine Voraussetzung dafür ist, dass wir über das Thema Bremsen weiter nachdenken können. Außerdem finden wir in dem motorisierten Objekt ein vierdimensionales Modell vor, das die symbolische Form einer fünfdimensionalen Wirklichkeit sein kann. Ich hatte schon den Akt des Zeichnens als eine Verlangsamung (Bremse) gegenüber der Idee oder dem Geistesblitz begriffen. Nun setzt sich dieser Prozess der Verlangsamung auf der Ebene der Rezeption fort; denn das Aufnehmen eines Objekts über die Sinne, das „Lesen“ eines Werks, erfordert ja einiges an Mühe und Zeitaufwand, das dem ersten Eindruck, der sehr schnell gewonnen ist, gegenüber steht wie die Zeichnung dem Geistesblitz. Die Rezeption eines Kunstwerks hat eine Bremswirkung auch bei den Zuschauerinnen und Zuschauern gegenüber dem ersten Eindruck, den ein Werk hinterlässt. Daran, dass man bereit ist, diese Bremswirkung zu ertragen, zeigt sich sehr schnell, ob man einen Kunstgegenstand mag oder ablehnt, ohne dass man zunächst bemerken müsste, woran das liegt bzw. was dargestellt ist. Die sinnliche Übertragung eines Gegenstands und die anschließende Analyse der Sinneseindrücke verzögert die Lesbarkeit, setzt aber unter günstigen Umständen einen Prozess in Gang, durch den sich ein Werk zu erkennen gibt. Johannes Lothar Schröder |
| back |
Konzepttext
Almut Grypstra
|