Ingrid Scherr: Die allesverschlingende Muddi
16.02. - 10.03.06
EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Begrüßung Elke Suhr



Liebe Gäste und Freunde des EINSTELLUNGSRAUM e.V.,

herzlich willkommen im Offkunstghetto, wie Ingrid Scherr unseren Raum hier nennt, hier im Hamburger Osten, knapp 5 U-Bahn-Minuten, vom Hauptbahnhof entfernt.

Ich freue mich, dass Ihr/Sie den Weg hierher in unsere Themengalerie gefunden habt/haben. Also noch mal herzlich willkommen und vielen Dank Ingrid für dies Installation, Dank an die "Assistenten" Peter und Alexander, die unseren Raum hier intensiv auf diese Ausstellung mit vorbereitet haben.

Zu unserem Jahreskonzept STEUERN UND LENKEN EINES WAGENS IN RELATION ZU PERSÖNLICHEN UND SÄCHLICHEN RESSOURCEN IM MORPHOGENETISCHEN FELD, unserem 3. Jahresthema,  hat Ingrid Scherr
uns diese Installation aus großen Leinwandaquarellen, Plastiken, Text- und Videoinstallation kreiert.
Was hier nicht zu sehen ist, finden Sie im Keller. Es ist so gedacht, dass ich hier sozusagen die Tür öffne und jeder Gast sich dann seinen Weg in diesem Feld selber sucht.

Hinweisschilder geben am Eingang,- schon von außen sichtbar-, den Ansatz vor.
Von der Mitte aus geht es entweder zur Aggression oder zum Eros. Links ist dabei von außen rechts und umgekehrt. Von innen sind die Schilder zusammenzusehen mit dem vorbeiflutenden Verkehr, führen sie den Blick also über den Raum hinaus, geben dem ruhigen Betrachter einen Moment der Stille, in dem er/sie den eigenen Ort/Standpunkt und die Strecken der gegenläufigen Bewegungsrichtung draußen gleichzeitig wahrnehmen kann.

Dieses Zusammenführen von Gegensätzen ist sozusagen unterschwellig hier angesagt, im Keller wie hier oben, wo die Katastrophe auf dem Sockel steht, der wiederum halbwegs seine tragende Funktion zugunsten räumlicher Progression in Frage stellt.

Es ist wohl tatsächlich die Kathastrophe für den erlebenden Menschen, wenn die GEGENSÄTZE zusammenfallen, wenn feurige Aggression durch allseits verlaufendes Wasser, d.h. sich in alle Richtungen öffnendes  feines Fühlen richtungslos wird. Die Identität verliert sich und kann nur auf einer neuen Ebene wiedergefunden werden. In den Bildern von Ingrid Scherr wird das Feuer mithilfe von Wasser gemalt und ist als solches sichtbar. Dieser Schritt vom einen Medium in das ganz Andere, vom Erinnerungsbild in das tatsächlich Wahrgenommene, wirkt meist katastrophisch. Es geschieht etwas, was lösend, aber damit auch auflösend wirkt.

Ingrid Scherr mutet uns mit ihren lichten, transparenten Bildern zu, uns in diesen Grenzbereich hineinzufühlen. Sie führt ihre sublime Malerei hier vor wie ein Zitat dieser Malerei selbst, zugleich aber lässt sie authentische Spuren materieller Durchdringung sich im medialen Bilder-Diskurs ereignen. Ingrid Scherr führt mit ihren Auflösungsbildern den Blick des Betrachters an die Grenze, wo es einerseits nicht weitergeht, andererseits Fluidales Einfluss gewinnt. Fast romantisch seien ihre Bilder, sagte sie selbst.

Mit ihrem Wegzeichen im Fenster suggeriert sie uns Aggression als alternierende Wegmarke zum Eros.
Wer soll sich da entscheiden?
Bei Platon in seinem "Gastmahl" ist Eros Verkörperung der Liebe zur Weisheit und männlichen Zeugungskraft, der geistigen als auch der körperlichen. Er war für ihn kein Gott sondern ein Dämon, der zur Schau des Schönen an sich führt.
Führt, steuert, lenkt?
 
Mit dem Motiv des Wagenlenkers, der im Jahresthema 2006 bei uns Anlass zur Reflektion wird, ist eine Allegorie für die Integration von Eros und Thanatos, Eros und Aggression gemeint, Begriffe aus der männlichen Sprachschöpfung,  die in Ingrid Scherrs Arbeiten zu Bildern aufgelöst werden, die den Begriff als solchen jewils obsolet machen.

Ingrid Scherr ist als Künstlerin den Anwesenden wohl hinlänglich bekannt, ihre Texte jedoch wohl eher als diese neuen Bilder zwischen Romantik und Agitation.
Lassen Sie sich überraschen: im Keller, also unten, werden Sie finden, was sie auf ihrer Wanderung noch so als Vorrat an ihren Wanderstab, ihre Lenkstange,  ihr Steuerruder gebunden hat.

Ich wünsche Ihnen also einen erlebnis- und erkenntnisreichen Abend und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

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